Einmal mehr eine illustre Zusammenstellung zwischen einem Klassiker, einen missverstanden Kunst- und einem aktuellen Kinofilm. Ich sage es vorweg: Wer mich wegen meiner Meinung zu „Blow Up” steinigen möchte, sollte es jetzt tun – oder für immer schweigen.
Mord im Orient-Express (GB 1974)
Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich mit Ausnahme von “Tödliche Entscheidung” noch keinen weiteren Film von Altmeister Sidney Lumet gesehen habe. Wohl aber meine ich konstatieren zu können, dass er ein eher gemächlicher, denn aufgeregter, eher subtiler, denn grober Regisseur ist. Und dies fällt auch bei Mord im Orient-Express auf: Im Zentrum steht die titelgebende Geschichte nach Vorlage von Agatha Christie und die potenziellen Täter (u. a. Sean Connery und die oscarprämierte Ingrid Bergman), allesamt Passagiere an Bord.
Albert Finney ermittelt als spleeniger Detektiv Hercule Poirot im Mordfall an dem Hauptbeteiligten einer Kindesentführung, die eine ganze Familie in den Tod trieb. Stets in edle Bilder getaucht und mit geschliffenen Dialogen gesegnet sowie mit Wendungen und Pointen zum Miträtseln animierend, fällt einzig das gemächliche Tempo der Inszenierung etwas auf. Aber was soll’s: Mord im Orient-Express ist großes Schauspielerkino.
Blow Up (GB/I/USA 1966)
… ist ziemlich aufgeblasenes und überschätztes Kunstkino. Meine Empfindung mag vielleicht auch daran liegen, dass dies mein erster Film von Michelangelo Antonioni ist und sich mir der tiefere Sinn um die – wie ich las – Verschmelzung der Künste, Intension und Extension sowie Realität und Fiktion im London der Swinging Sixties nicht wirklich erschlossen und ratlos zurückgelassen hat. Schön, wie Antonioni mit der filmischen Raumkonstruktion und Wahrnehmung von Tiefe und Fläche spielt. Schade nur, dass er dabei seine Story um einen arroganten Fotografen (David Hemmings), der zufällig einen Mord knipst und später die Leiche entdeckt, welche noch später spurlos verschwunden ist, vollkommen kleineren Nebenhandlungen preisgibt und sie am mit Symbolen regelrecht überfrachteten Ende scheinbar ad acta gelegt hat.
Genre? Keine Ahnung… Cineasten nennen das auch manchmal „Kunst”, wenn sie es nicht einordnen können. Ich nenne es im Sinne Kracauers „unfilmisch” und kann noch nicht einmal genau sagen, ob Blow Up narrativ oder assoziativ, Spielfilm oder Experimentalfilm ist. Am ehesten wohl noch ein Zwitter aus beiden, aber auf jeden Fall enorm prätentiöses Kopfkino. Kommt aber auf jeden Fall auf meine „Muss ich irgendwann nochmal sehen, um es vielleicht zu verstehen”-Liste.
Vorbilder?! (USA/D 2008)
Die Karrieren von Seann William Scott und Paul Rudd kann man nun wirklich nicht mehr kometenhaft nennen. Beide haben scheinbar ihre großen Zeiten schon hinter sich: Scott als „Stiffler” in American Pie und ähnlich gelagerten Sex-Klamotten um die Jahrtausendwende, Paul Rudd war ohnehin meist nie mehr als Nebendarsteller in Komödien wie in „Jungfrau (40), männlich, sucht…” oder „Beim ersten Mal”. Was also bei Vorbilder?! für ein Humor heraus kommen würde, kann man schon anhand dieser Filme erahnen: ein ziemlich tief gelegter. Scott spielt einmal mehr den dauergeilen Womanizer, der stets lustlos wirkende Rudd hingegen einen zynischen Loser. Beide arbeiten als Promoter für einen Energy Drink und verursachen eines Tages soviel Chaos, dass sie bei einer Organisation die sich um Problemkinder während ihrer Freizeit kümmert, Sozialstunden ableisten müssen.
Wie es ausgeht, ist klar: Alle raufen sich nach der ein oder anderen Zote wie Sex unter Schlaftabletten beim Campen zusammen und werden glücklich. Das ist zwar nett und gelegentlich aufgrund des speziellen „Stiffmeister”-Humors brüllkomisch, aber nicht tiefgründig oder originell, sondern nur guter Durchschnitt. Der Einfall mit dem Real-Rollenspiel am Ende, als sich alle Beteiligten als KISS verkleiden, ist aber ganz witzig.