Kirschblüten – Hanami (D 2008)

Der Jugendwahn unserer von Heuschrecken und gierigen finnischen Handyherstellern heimgesuchten Gesellschaft nimmt bekanntlich von Jahr zu Jahr immer abstoßendere Züge an. Selbst die vom unerbittlichen Klimawandel bedrohten Eisbären werden, sobald sie auch nur ihren ersten Geburtstag gefeiert haben, von den Kuscheltier-verliebten Medien ausgemustert und durch neugeborenes Getier ersetzt. Da freut man sich über jeden Film, der ins Gedächtnis bringt, dass es auch ein Leben nach midlife crisis und Menopause gibt. Kirschblüten von Doris Dörrie ist so ein Film, handelt er doch von einem älteren Herrn, der nach dem Tod seiner Frau deren Lebenswünsche erfüllen will.

TV-Routinier Elmar Wepper spielt diesen Rudi, der am liebsten sein bayrisches Dorf nicht verlassen, seinen Alltag unangetastet lassen möchte, der zufrieden ist mit seiner Stulle auf Arbeit, seinem Bier daheim. Mit den drei Kindern verbinden Rudi und seine Frau Trudi (Hannelore Elsner) ein zwiespältiges Verhältnis. Hinter dem Rücken der Eltern wird gelästert, wie sie zur Last fallen, auf die Nerven gehen, wenn sie einmal zu Besuch sind, was wir als Zuschauer nicht wirklich nachvollziehen können, zeigt Dörrie uns doch ein nettes Paar, das man ohne weiteres in die eigene Wohnstube einladen könnte, verstünde man den Dialekt. Selbst Sohn Karl, der in Tokyo lebt und so etwas wie das Lieblingskind ist, schlägt bald in dieselbe Kerbe. Einzig die von Nadja Uhl mit einer angenehmen Natürlichkeit verkörperte Freundin der Tochter zeigt so etwas wie Verständnis, wirkt aber auf Dauer dank des mittelmäßigen Drehbuchs wie eine offensichtlich konstruierte Contrastimme am Lästertisch.

Bedenkt man die Prämisse – ein todkranker Mann verliert seine Frau und reist in ein Land, das er nicht versteht, das ihn nicht versteht – erwartet man nicht viel Humor, doch vom vertrauten Zusammenspiel Weppers und Elsners als altes Ehepaar bis zum Clash of the Cultures in Japan bietet Dörrie uns einen sympathisch kauzigen Witz an, der über so manche Länge hinweg hilft. Ist die erste Hälfte des Films bis zur Reise nach Japan noch sehr einnehmend in ihrer Mischung aus Alltagsschilderung und Verlustbewältigung – Trudi stirbt überraschend während eines Kurztrips zur Ostsee – beginnt Kirschblüten im Land der aufgehenden Sonne zunehmend an seiner dünnen Handlung zu leiden.

Trudis Liebe zur japanischen Kultur, deren Herkunft uns nie wirklich erklärt wird, verleitet Rudi dazu, nach Japan zu fliegen. Er glaubt, seine Schuldgefühle so bewältigen zu können, schließlich ist seine Antriebsarmut verantwortlich dafür, dass seine Frau nie ihr Lieblingsland besuchen konnte. In der Fremde angekommen fällt er erstmal in ein tiefes Loch und betrinkt sich, mit tragikomischen Ergebnissen. Sein Sohn hat keine Zeit für ihn, also beginnt er die Stadt selbst zu erkunden und zeigt seiner Trudi – in Gestalt von Strickjacke, Rock und Kette, die er unter seinem Mantel trägt – u.a. die blühenden Kirschbäume. Dank einer plumb eingeführten Dialogstelle, die jedem Regieneuling peinlich sein würde, lernen wir sogar, dass die Kirschblüten ein wunderbares Symbol für Vergänglichkeit sind.

Dass die Travestieshow, die Rudi hier abzieht, nicht lächerlich wird, liegt allein am souverän aufspielenden Elmar Wepper, der seinem Dorfbewohner soviel Leben und Gefühl einhaucht, dass wir diesen Film nicht schauen können, ohne mit Leib und Seele an seinem Weg der Trauer teilzuhaben. Viel wird erklärt in diesem Film, etwa, über den Butoh-Tanz, so dass man manchmal das Gefühl hat, die Regisseurin sei eine enthusiastische Reiseführerin, die das Drehbuch nur geschrieben hat, um uns Japan in all seinen Facetten zu zeigen. Vielleicht wird deswegen keine Begründung für Trudis Liebe zu dieser Kultur gegeben. Der Dörrie gefällt eben das Land und damit hat sichs.

Wenn Rudi dann den Fuji sehen will und Dörrie uns eine höchst einfühlsame Szene der ultimativen Einswerdung der Eheleute schenkt, scheint der Film ein poetisches Ende gefunden zu haben. Doch nein, die Regisseurin zieht den Film unnötig in die Länge, um wirklich alles ohne jeden Überraschungs- oder zur Interpretation freigegebenen Moment zu erzählen. Da hat sie mit Elmar Wepper soviel Gold in den Händen und stellt sich doch mit ihrer einfallslosen Inszenierung immer wieder selbst ein Bein. Von der schrecklich prätentiösen Todesszene Trudis ganz zu schweigen. Schade.

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