[Wer Infernal Affairs I nicht gesehen hat und Wert auf ein ungespoilertes Filmerlebnis legt, sollte die folgende Kritik überspringen und stattdessen die letzten Sätze als Fazit ansehen. Alle anderen: Sport frei!]
Der Tod von 80% der Hauptfiguren könnte den ein oder anderen Produzenten abschrecken, ein Sequel zu drehen, nicht jedoch die gewitzten Filmschaffenden der Sonderverwaltungszone (SAR) Hongkong. Nachdem ein Prequel von Infernal Affairs dieses Problem bereits erfolgreich gelöst hatte, stand man erwartungsgemäß beim dritten Teil vor der Frage, bei der sich selbst Lenin schon den Kopf gekratzt hatte: Was tun?
Sollte man die Geschichte des Triadenspitzels Lau (Andy Lau) weitererzählen, der bekanntlich den ersten Teil überlebt hatte. Sollte man in einem Prequel auch noch die Kindheit der Helden inspizieren? Leider stellte man sich bei Media Asia nicht die Frage, ob überhaupt ein Sequel sinnvoll wäre, sonst hätte die Reihe in Form von Teil Zwei einen würdigen Abschluss erhalten.
Infernal Affairs III ist ein Zeugnis der Unentschiedenheit, der großen Ambitionen und des Wunsches nach viel, viel Geld. Um noch einmal alles aus der geplagten Box Office der Heimat herauszuholen, haben die Drehbuchautoren Alan Mak und Felix Chong ein für einen Thriller viel zu kompliziertes Mischmasch aus Prequel und Sequel entworfen.
Der Grund: Irgendwie mussten die Superstars Andy Lau (House of Flying Daggers) und Tony Leung (Gefahr und Begierde) ein weiteres Mal in einen Film gequetscht werden, obwohl die Figur des letzteren bereits verschieden war. Folglich erzählt der dritte Teil der infernalischen Saga den weiteren Werdegang Laus in den Reihen der Polizei und schneidet diesen munter mit dem Geschehen in den Monaten vor Yans (Leung) Tod zusammen.
Die Geschichte des Triaden Lau, der – in die Polizei eingeschleust – eigentlich nur ein guter Cop und Mensch sein will, gibt noch am ehesten die Story für ein Sequel her, schließlich ist sein weiterer Weg nach dem ersten Teil offen. Die Regisseure Andrew Lau und Alan Mak gestalten diese Zeitebene in unterkühlten, abweisenden Interieurs, die Laus in die Brüche gehenden Geisteszustand entsprechen.
Von Schuldgefühlen für Yans Tod getrieben, stürzt er sich in die Suche nach weiteren Spitzeln in den Reihen der Polizei und stößt auf den zwielichtigen Yeung (Leon Lai, neben Andy Lau einer der erfolgreichsten Cantopopsänger). Bald liefern sich beide ein Katz und Maus- Spiel ausgeklügelter Überwachung.
Auf psychologischer Ebene gehen die Macher einen nachvollziehbaren Weg. Je länger er Yeung überwacht, desto mehr identifiziert sich Lau mit dem toten Yan, darauf hoffend, dass auch er durch seine Taten Vergebung finden kann. Eine spannende Atmosphäre kommt deswegen nur schwer auf, schließlich nehmen wir die meiste Zeit Platz in Laus Kopf, in seiner Psyche und beobachten deren Kollaps in Zeitlupe.
Leon Lai bringt eine akzeptable Mischung aus Berechnung und Undurchsichtigkeit in seine Rolle des geheimnisvollen Gegenspielers. Sein stets mit einem überlegenen Lächeln verziertes Spiel ruft Francis Ng aus Infernal Affairs II in Erinnerung, doch Lais Methode ist oft nur schwer vom hölzernen Spiel eines ganz einfach schlechten Schauspielers zu unterscheiden. Die Persönlichkeit einer Figur, die Ng durch ein paar Blicke präsent zu machen in der Lage war, bleibt bei Lais Polizist nur ein blasser Schatten.
Andy Lau dagegen hat selten so überzeugen können, ist bei vielen seiner Rollen doch der Vorwurf gerechtfertigt, er sei mehr Steinblock als Mime. Schade nur, dass die Macher sich nicht auf sein Starcharisma allein verlassen haben und die bedrückende Stimmung dieser Zeitebene immer wieder aufbrechen durch Rückblicke in das Leben des toten Yan. Würden interessante Facetten zu Yans Persönlichkeit durch einen ansprechenden Plot hinzugefügt werden, so wäre das noch akzeptabel. Ein Großteil des Films wird aber durch seine Flirts mit einer Psychologin (Kelly Chen) verplempert.
Chen übertrifft leider selbst Lai in der Kunst, einen flachen Charakter schlecht gespielt auf die Leinwand zu klatschen, so dass am Ende nur der Schluss bleibt, dass die Autoren verzweifelt versucht haben, ein Romantic Interest in den Film einzubauen. Bedenkt man, dass die zwei ersten Teile Aktricen, wie Carina Lau und Sammi Cheng, präsentieren konnten, kann man sich im Grunde nur noch an der eigenen Enttäuschung erfreuen.
Sind die letzten Bilder des Films zwar ein treffender Abschluss der Saga, können diese leider nicht darüber hinwegtäuschen, dass die 100 Minuten davor schlicht zu konfus, um zu unterhalten, zwei Geschichten präsentieren, die zwanghaft in das Infernal Affairs-Schema gepresst wurden und an keiner Stelle die perfekt konstruierte Brillanz der Vorgänger erreichen. Die großen dramatischen Gesten, die in diesen Teilen dank der routiniert gezeichneten Figuren noch die Tränendrüse in Anspruch nehmen konnten, verdampfen in Infernal Affairs III durch ihre unglaubwürdige Künstlichkeit in kürzester Zeit.
In den Extras der deutschen DVD hat Schauspieler Anthony Wong das zentrale Problem von Infernal Affairs III mit gewohnter Ehrlichkeit formuliert:
“Müde bin ich. Da wird ständig nachgeschoben. Was soll das noch? Ohne würde es auch gehen. Ich verstehe wirklich nicht, was das alles soll. Das wäre auch ohne meinen Charakter gegangen.”
Was soll man da noch sagen?
Zum Weiterlesen:
Infernal Affairs
Infernal Affairs II
The Departed