[Die folgende Kritik bezieht sich auf die internationale Version von “The Warlords”, die derzeit in den deutschen Kinos läuft und knapp 16min kürzer ist als die chinesische.]
Eine Crew, die mehrere Hongkong Film Awards und sogar einen Silbernen Bären für sich zu verbuchen hat, ein Regisseur, der große Gefühle auf Hollywood-Niveau verpacken kann. Man addiere vier Hauptdarsteller, deren Bekanntheitsgrad chinesische Produzenten freizügig Schecks unterschreiben lässt in Erwartung der Zuschauermassen. Das hier ist wider aller Erwartungen keine Review zu “Red Cliff 2”, sondern zu The Warlords. John Woo geht nur nach einem Prinzip vor, das chinesische Blockbuster seit Jahren auszunutzen wissen. Die berühmteren Beispiele dafür sind wohl “Hero”, “Wuji” und “Infernal Affairs”.
The Warlords ist weder eine Special Effects-Orgie, noch ein moderner Großstadtthriller und auch wuxia– Elemente sucht man vergebens. Vielmehr reiht sich der Film von Peter Chan (“Comrades – Almost a Love Story”) ein in eine Welle von Historienepen aus Fernost zu denen eben auch der bereits erwähnte Red Cliff- Zweiteiler gehört. Was “The Warlords” von diesem oder “Three Kingdoms: Resurrection of the Dragon” abhebt, ist die relative Modernität der Geschichte. Peter Chans Epos basiert nicht auf Geschehnissen, wie sie z.B. in den vier klassischen chinesischen Romanen geschildert werden. Ganz im Gegenteil:
Zu Zeiten des Taiping-Aufstandes – Mitte des 19. Jahrhunderts – kreuzen sich die Wege des kaiserlichen Generals Pang Qin-Yun (Jet Li) und der Banditen Zhao Er-Hu (Andy Lau) und Jiang Wu-Yan (Takeshi Kaneshiro). Pang, der soeben seine ganze Truppe bei einer verheerenden Schlacht verloren hat, überredet die beiden, welche eine Schar von kampfbereiten Männern hinter sich versammelt haben, dem drohenden Hunger zu entgehen indem sie sich für die kaiserliche Armee im Kampf gegen die Taiping freiwillig melden. Die drei Männer schwören die Blutsbrüderschaft und ziehen gemeinsam gegen übermächtige Armeen und behindert durch intrigierende Hofbeamte zu Felde, nichts ahnend, dass von Anfang an jemand zwischen ihnen stehen wird: Mi Lan (Xu Jinglei), Ehefrau von Andy Laus Räuber Zhao Er-Hu, in die sich Pang verliebt hat.
Dass aus diesen inhaltlichen Zugaben wohl keine Schmonzette wird, erahnt man schon angesichts des Castings von Jet Li. Der hat in seiner Martial Arts- Filmkarriere zwar immer mal wieder hübsche Damen an seine Seite gestellt bekommen, doch selbst beziehungsbedrohenden Konflikten, wie etwa der aufwallende Rassismus gegen seine japanische Geliebte in Fist of Legend, steht der Jet Li- Held normalerweise recht stoisch gegenüber. Die emotionale Zurückhaltung lässt sich auch etwas weniger elegant mit Li’s schauspielerischen Defiziten erklären. Ihm in “The Warlords” ein in seinen Grundzügen melodramatisches Figurengeflecht aufzuhalsen, mag als wagemutiger Schritt bezeichnet werden. Nachdem Li das Biopic Fearless (2006) als sein letztes Martial Arts- Epos bezeichnet hatte, war aber davon auszugehen gewesen, dass früher oder später ein Versuch im dramatischen Fach folgen würde. Nicht zuletzt das Alter zwang wenig später auch seinen Kollegen Jackie Chan dazu, diesen gewagten Schritt mit Derek Yees The Shinjuku Incident (2009) zu vollziehen.
Die Co-Stars Kaneshiro und Lau, die sich in diesem Genre wesentlich wohler fühlen dürften, bilden nur eine vordergründige Entlastung. “The Warlords” ist nämlich ganz und gar Jet Li’s Film. Beginnend bei dem grandios gewählten Auftakt des erschöpften Generals, der sich durch die Leichen seiner Soldaten auf dem Schlachtfeld ans Sonnenlicht zurückkämpft, vereinigt sich in der Folge das Gros der Gewissenskonflikte, aber auch der Figurenentwicklung auf Pangs breiten Schultern. Der talentierte General, der durch einen Konkurrenten am Hof seine Armee verloren hat und nun nach Wiedergutmachung und letztendlich auch der Befriedigung seines Ehrgeizes drängt. Das Opfer der Ideale zugunsten der Politik ist vorhersehbar. Ebenso die zwangsläufige Konfrontation mit dem Blutsbruder Zhao Er-Hu.
Andy Lau spielt seinen Räuber höchst bodenständig als einfachen Mann, der von den harten Umständen der Zeit zum Verbrechen gezwungen wird und dem doch nur ganz im Sinne Robin Hoods das Wohl des armen Fußvolks am Herzen liegt, das sich in jedem Krieg zuerst unterm Rad wieder findet. Die jugendlich naive Liebe für ihn hat seine schneller erwachsen gewordene Frau im Laufe des Banditendaseins abgelegt. Ihre Zuneigung schenkt sie dem anfangs gebrochenen Pang. Die Beziehung der Liebenden entfaltet der Film höchst sensibel, was wohl Peter Chan zu verdanken ist. Den assoziiert man schließlich eher mit Romanzen als mit Schlachtenenepen.
Fans von Massenaufmärschen chinesischer Armeen und entsprechender Kampfszenen kommen in The Warlords keinesfalls zu kurz. Kameraveteran Arthur Wong (“Once Upon a Time in China”) versah den Film mit einer handfesten realistischen Atmosphäre, getragen von erdigen Tönen, die den sowieso schon dreckigen Look der Hauptfiguren passend ergänzen. Auf Realitätsnähe setzen auch die unzähligen Gemetzel der Soldaten. Hat man allerdings einen Actionchoreograph namens Ching Siu-Tung (“A Chinese Ghost Story”) zur Hand, wäre fehlende Übersichtlichkeit die pure Geldverschwendung. “The Warlords” beweist einmal mehr, dass chaotische Kämpfe durch eine gekonnte Kombination von Schnitt- und Kameraleistungen ihren realistischen, d.h. dynamischen, Charakter nicht verlieren müssen und dennoch für den Zuschauer einigermaßen übersichtlich wirken können. Die erwartungsgemäß brutale Action ist immer noch körperbetont, spür- und hörbar – ein Verdienst auch des Sounddesigns – ohne aber mit einer überfordernden, weil dilettantisch eingesetzten Wackelkamera nach einer Packung Aspirin zu schreien.
All die technischen Vorzüge – und Chan ist generell Spielereien nicht abgeneigt (Andy Laus betrunkener Point of View?) – wären nicht vielmehr als dürftige Pluspunkte eines pathetischen Soldatendramas, wäre da nicht das Experiment Jet Li. Ein, was die Figure Pangs angeht, starkes Drehbuch, das den anderen beiden Hauptdarstellern eigentlich erst viel zu spät im Film markige Momente schenkt, stellt dem Dramaneuling mehrere Szenen seelischer Implosion zur Verfügung. Die große Überraschung bleibt im nachhinein, dass Li diese ohne in dunkle Overacting-Gewässer zu geraten, zu seinen Gunsten auszuspielen weiß und auch in langen Großaufnahmen, deren Spannung mit seiner Mimik steht und fällt, auf plattes Ausdrucksspiel verzichtet. Den Kämpfer nimmt man ihm ja immer ab. Aber den von Skrupeln geplagten liebeskranken Idealisten hätte zumindest ich ihm nicht zugetraut.
Oscarmaterial ist The Warlords deswegen noch nicht. Die sentimentale Brüderlichkeit ist aus klassischen Hongkongzeiten altbekannt, funktioniert aber auf Grund der erwähnten Bedeutungsgewichtung nur bedingt. Sehenswert auch für den Konsumenten, der normalerweise asiatische Produkte tunlichst umgeht, ist der Film trotzdem. Von einem abgeklärten Verhältnis zur Politik der Hintermänner getragen, überzeugt Peter Chans Epos v.a. durch seine Vermeidung jeglicher Glorifizierung des Krieges. Und Jet Li gibt hier soetwas wie sein Schaupieldebüt. Da muss Jackie erstmal nachlegen.