Ich habe dieses Jahr the gaffer zumindest an den ersten beiden Tagen auf dem 22. Exground Filmfest in Wiesbaden Gesellschaft geleistet – hier der Beweis. Und da ja immer Filmbesprechungen und das (Independentfilm-)Festival selbst in einem Festivalbericht die größte Rolle spielen sollten, will ich meiner Leserschaft Anmerkungen zur Hin- und Rückfahrt (danke dir noch mal, Christoph! Hat je nur 3,5 Stunden auf der Autobahn gedauert), den kulinarischen Genüssen (Schümli-Kaffee rockt und Brunchen am Sonntag im Café Klatsch ist echt sehr studentisch-keimig-geil-üppig!) weitestgehend ersparen. Nun also zu den Geschehnissen am 13. und 14. November dieses Jahres, die mit dem Exground zu tun haben in chronologischer Abfolge.
Um 21 Uhr ging es erst einmal mit den mobilen Kurzfilmfestival „A Wall Is a Screen“ aus Hamburg auf Tour quer durch Wiesbaden und seine Häuserwände. Das Thema der Filme dieses Jahr orientierte sich am Datum des 13. Novembers: Freitag, dem 13., um genauer zu sein. Besonders im Gedächtnis haften geblieben ist dabei ein australischer Kurzfilm namens „Spider“. Ich möchte nicht zuviel verraten, aber: Unverhofft kommt oft, soviel ist mal sicher! Seht selbst:
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Leider kollidierte diese Veranstaltung mit dem Programm in der Caligari Filmbühne (dem schönsten Kino wo gibt), weswegen wir nur wenige Kurzfilme sehen konnten und dann auch schon wieder kehrt machen mussten. So begann schon um 22.15 nach dem Vorfilm “Spider“ (den ich so innerhalb von anderthalb Stunden zweimal sah) zum Abschluss des Abends jener Film, auf den ich schon sehr gespannt war:
I Sell the Dead (USA 2008)
Man nehme eine Idee aus einem eigenen Kurzfilm und blase sie zu einer streckenweise langatmigen, hin und wieder ermüdenden, phasenweise ironischen und immer atmosphärisch dichten Referenz an die Hammer-Filme der 60er Jahre auf. So lässt sich diese Horrorkomödie um einen Grabräuber (Dominic Monaghan – Merry der Hobbit aus „Der Herr der Ringe“), der im 19. Jahrhundert kurz vor seiner Hinrichtung allerlei Anekdoten vom Friedhof um Untote und Leichen zu erzählen hat, wohl am besten zusammen fassen. Neben der überraschenden Schlusspointe und Larry Fessendens Ähnlichkeit mit Jack Nicholson bleibt insbesondere Ron „Hellboy“ Perlmans Auftritt als Priester in bleibender Erinnerung – auch wenn er darin nicht viel zu spielen hat. Eine etwas detailiertere Einschätzung des Films gibt es hier von mir.
Tag 2: Um 17.30 Uhr liefen im sog. 3-er Programm drei deutsche Kurzfilme, welche alle Migration zum Inhalt hatten. Jenny hat alle Einschätzungen (die ich auch teile) schon in ihrem ersten Festivalbericht angemerkt. 20 Uhr folgte dann ein weiteres, wenn nicht eines der Highlights schlechthin:
Humpday (USA 2009)
Zwei heterosexuelle Kumpels aus Jugendzeiten beschließen, an einem Amateurpornofestival teilzunehmen und miteinander Sex vor der Kamera zu haben. Was wie die Synopsis von der 10. Fortsetzung von „American Pie“ klingt, entpuppt sich als originelle Ausgangsidee für eine Komödie, die neben Situationskomik und witzigen Dialogen auch ernstere Untertöne um unerfüllte Wünsche und individuelle Freiheit im Leben bereithält. Dabei ist es vor allem dem Drehbuch von Regisseurin Lynn Shelton sowie der intensiven Inszenierung (mit vielen Großaufnahmen und dem Verzicht auf Filmmusik) zu verdanken, dass die Ereignisse wie aus dem Leben gegriffen wirken. Ein enorm witziger Indie-Film, der auch zum Nachdenken anregt.
Danach sollte eigentlich die Sichtung von Captain Berlin vs. Hitler erfolgen. Doch die unglückliche zeitliche und logistische Abstimmung bescherte Jenny die letzte Karte im dann ausverkauften Kulturpalast (mit geringem Platzkontingent), während Christoph und ich leer ausgingen und zurückhetzten ins nicht einmal halb gefüllte Caligari, wo 22.15 Uhr unsere letzte Vorstellung für den Abend laufen sollte:
The Good American (D 2009)
Jochen Hick, der Dokumentarfilmer in der Schwulenszene, porträtiert mit Tom Weise den HIV-positiven Mitbegründer des größten schwulen Online-Escortservices rentboy.com. Weises bewegtes Leben um HIV, Hepatitis C und als illegaler Einwanderer in den USA, seine anstehende Rückkehr nach Deutschland und der Verstoß durch seine Eltern hätten genügend Stoff hergegeben für eine kritische Reflexion dieses ambivalenten Charakters. Doch Weise wirkt durch seine professionelle, selbstdarstellerische Fassade, die auch Hick trotz aller Behutsamkeit in über einem Jahr Drehzeit nicht durchbrechen konnte, als Person stets wenig greifbar. So verwundert es nicht, dass der Film aufgrund dieser Umstände oberflächlich wirkt und sich auch mit der Escort-Szene in den USA oder den Hustlaball-Sexparties – als dessen Mitbegründer Weise auch gilt – beschäftigt. Insbesondere gegen Ende verliert Hick dabei seine Hauptfigur bei der expliziten Dokumentation eines Porno-Drehs oder Bühnenshows ein ums andere Mal aus den Augen. Ein interessanter Einblick in die Szene der schwulen Escort-Szene, aber leider kein intimes Porträt.
Thats all – nächstes Jahr wieder! Das Exground Filmfest findet noch bis 22. November statt und ist in jedem Fall einen Besuch wert. Warum? Hier noch einmal knapp zusammengefasst die Pros und Contras nach 2 Tagen Festival:
+ große Vielfalt in der Filmauswahl: Dokumentationen, Spielfilme, Kurzfilme – für jeden Geschmack etwas dabei
+ Kurzfilme als Vorfilme vor jedem Spielfilm
+ tolles Kino: die Caligari Filmbühne allein ist schon sehenswert
+ gute Moderatoren/Filmankündiger/Interviewer der Filmemacher
+ zahlreiche Filmemacher anwesend und auskunftsbereit
+ zahlreiche Verlosungen und hübsche Merchandise-Artikel
– zahlreiche Verlosungen und deshalb oftmals verspäteter Filmstart
– ausbaufähige zeitliche und organisatorische Abstimmung zwischen den Veranstaltungen und Veranstaltungsorten