Bald klopft vor Schmerz und bald vor Lust, das rote Ding in meiner Brust. – W. Busch
Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich das Herz zum Herzen findet. – F. Schiller
9 Songs (GB 2004)
Liebe im Zeitalter der zeitlich und örtlich abgeschlossenen Paarbeziehung: Michael Winterbottom erzählte diese Geschichte mit „9 Songs“ und später „Code 46“ zweimal. Matt (Kieran O’Brien) und Lisa (Margo Stilley) begegnen sich auf einem Konzert, haben Sex, führen eine Beziehung, trennen sich schließlich, weil sie von London in die USA zurückkehrt. Die drei Storyfäden Beziehungsalltag, Konzertbesuche und Matts Reise durch die Antarktis spiegeln dabei die drei verschiedenen Räume in den Phasen einer zwischenmenschlichen Paarbeziehung wider: Den hermetisch abgeschlossenen, intimen Raum der eigenen Wohnung, indem sich das verliebte Paar zum Ausleben seiner Intimität zurückzieht; den sozialen, öffentlichen Raum, in den sich das Paar in Gesellschaft begibt und der ebenso offene wie freiheitliche Raum außerhalb der Beziehung, der nach ihrem Ende folgt. Gleich der Vergrößerung des Raums steigt auch die Zeit an: Der kurzen Phase der Liebesbeziehung als Lebensabschnitt folgt das soziale Menschenleben als Ganzes, folgt das ewige, Menschen überlebende Eis. Winterbottom legte großen Wert auf Authentizität und Realismus (die Sexszenen sind echt, die Digitalkamera ist stets nah dran), was „9 Songs“ auch aufgrund der lebensecht agierenden Darsteller zu einer ebenso melancholischen wie körperlichen Erfahrung von Liebe, Lust und Verlassen macht.
Lie with me – Liebe mich (CDN 2005)
Leila (Lauren Lee Smith) ist eine promiskuitive junge Frau. Sie nimmt sich für die Befriedigung ihrer Lust wen sie will und wann sie will – bis sie auf David (Eric Balfour) trifft. Zunehmend koppelt sich ihr emotionales an ihr körperliches Begehren – doch diese Verkopplung von Liebe und Lust kann Leila nicht zulassen, da sie um den Verlust ihrer Freiheit fürchtet – sie läuft davon. Das mit flachen Charakteren geschlagene Erotikdrama, das insbesondere durch Leilas traditionell sehr maskulin denotiertes Ausleben ihrer Libido (anonymer Sex mit Fremden, Pornos zur Stimulation bei Masturbation) interessante Reflexionsansätze um Geschlechterverhältnisse bereit gehalten hätte, ertrinkt in vorhersehbaren Konflikten und einer – auch bei den sinnlich aufgeladenen Bildern – Genrekonventionen verpflichteten, erwartbaren Dramaturgie. Einzig eine mit den dichotomen Motiven von Zweisamkeit (Beziehung, Anpassung) und Einsamkeit (Nicht-Festlegung, Abenteuer) angereicherte Erotikszene, bei der ein Poster von Jean Vigos Liebesdrama „L’Atalante“ (1934) an der Wand hängt, während David Hermann Hesses „Steppenwolf“ liest und sich Leila ihm sehnlich nähert, bleibt in diesem immerhin unverklemmten Film wirklich im Gedächtnis haften.
Room in Rome (E 2010)
… ist ein Remake des chilenischen Films „En la Cama – Im Bett“. Abgesehen davon, dass das heterosexuelle Pärchen durch ein homosexuelles ersetzt wurde, sind die Ausgangssituationen gleich: Eine Metropole, ein zufälliges Treffen, eine gemeinsame Liebesnacht mit ungewissem Ausgang – und: Gespräche. Regisseur Julio Medem, der schon mit „Lucia und der Sex“ eine elliptische Erzählweise mit Erotik verknüpfte, entpuppt sich dabei ebenso als fragwürdiger Zeitschinder wie stilsicherer Ästhet. Zwar vermag er die 104 Minuten Laufzeit inhaltlich durch ermüdende Dialoge um wahre und erfundene Biografien der beiden Hauptaktricen, die durch lauwarmen Seelenstriptease in dauernacktem Zustand ihr Verhältnis zwischen Lust, Zuneigung und Liebe zueinander immer präziser definieren, nicht zu füllen. Doch audiovisuell ist sein stets mehr verhüllendes als entblätterndes Erotikdrama eine Wucht: An den sich im zwielichtigen Halbdunkel der Nacht umschmeichelnden, makellosen Frauenkörpern in schwummrigen Bildern und den Sehnsucht nach Liebe und Zärtlichkeit evozierenden Songs kann man sich nicht satt sehen oder hören. Der ideale Film zum wohligen Seufzen, Träumen und: Wegnicken – ab 25.02.2011 im Handel.