Keine fiktive Handlung, nur Tatsachen und Fakten. Hier ohne Konstruktion, ohne suggestive Polemik, dafür mal anekdotenreich, mal fachkundig, mal erschütternd.
Godard trifft Truffaut – Deux de la Vague (F 2010)
Bewegte Zeiten waren das Ende der 50er Jahre, als das französische Kino von den Redakteuren der Cahiers du cinéma, die unter die Filmemacher gingen, reformiert wurde. Ein realistischer Stil sollte her, der sich am italienischen Neorealismus und amerikanischen Genrefilmen orientierte und artifiziellen Literaturverfilmungen eine Absage erteilte. Dafür traten u. a. Francois Truffaut und Jean-Luc Godard mit ihren ideologisch ähnlichen, aber sehr unterschiedlich ausgerichteten Filmen ein. Ein Grund dafür, weswegen sie sich immer weiter voneinander entfremdeten, schließlich zerstritten. Regiedebütant Emmanuel Laurent sammelte fleißig Interviewschnipsel, Filmausschnitte und Schriftdokumente, mit der er dem Zuschauer dieses Stück Film-Geschichte – im doppelten Sinne – näherbringt. Leider gelingt kein Psychogramm der beiden, sondern nur eine zu nüchterne Abhandlung von Fakten ohne neue Erkenntisse. Eine verschenkte Möglichkeit, wie ich auch bei MovieMaze schrieb.
Ab 28. April im Kino.
Schnitte in Raum und Zeit (D 2006)
Mit dem Hinweis, dass „Zehn Miniaturen über Filmmontage“ folgen, wird dieses sehr praxisnahe und informative „Handbuch“ zum Filmschnitt eingeleitet. Neben Hirnforscher Dr. Wolf Singer, der die kognitiven Prozesse, die im Gehirn bei der „Verarbeitung“ eines Films ablaufen, erklärt (man fühlt sich an Arnheims „Gestaltpsychologie des Films“ erinnert), erzählen sechs Cutter anhand ausgewählter Filmbeispiele von ihrer Arbeitsweise und Philosophie. Am beeindruckendsten sind dabei die weisen Ausführungen von Alexander Kluge zur „vertikalen Montage“ und zum Dokumentarfilm, der in seiner Reinform – als „unmittelbare Wirklichkeit“ – schon durch den Dialog zwischen Film und Publikum im Kino nicht existiere. Am anschaulichsten bringt jedoch Elfi Kreiter das subtile Handwerk des Filmschnitts zwischen beabsichtigten Rhythmus und Stimmung nahe, indem sie zwei Schnittversionen von „Stan Rivkin, der letzte der Kopfgeldjäger“ analysierend miteinander vergleicht. Manchmal mit prätentiösen Anklängen („horizontale und vertikale Narrationsebenen kombinieren“-Deleuze-hä?) überwiegt jedoch die von Regisseurin und Cutterin Gabriele Voss leichtfüßig, aber dennoch anspruchsvoll vermittelte Faszination für ein mannigfaltiges Filmhandwerk. Ein Must See für Filmstudenten oder Cinephile!
Unser täglich Gift (F 2011)
Der Untertitel „Wie die Lebensmittelindustrie unser Essen vergiftet“ gibt den explorativen Ansatz der Investigativjournalistin und Regisseurin Marie-Monique Robin vor. Die entlarvenden Fakten, die die Französin uns präsentiert, sind beängstigend. Giftige Pestizidrückstände finden sich in vielen Lebensmitteln. Ob ein neues Produkt oder ein Zusatzstoff in den Handel gelangen darf, prüfen Behörden für Lebensmittelsicherheit wie die EFSA – auf Basis von Studien, die die Industrie selbst in Auftrag gegeben und zum Teil selbst durchgeführt hat. Das allgegenwärtige Süßungsmittel Aspartam verursacht (möglicherweise) Gehirntumore; bestimmte, auch in Lebensmittelverpackungen enthaltene Kunststoffe wirken sich schädlich auf Fortpflanzung und Entwicklung der Nackommen aus. Diese mit wissenschaftlichen Daten und Forschungsergebnissen belegte Reportage ist ebenso alarmierend wie aufrüttelnd, stellt die Ernährungsgewohnheiten der Industrienationen ebenso infrage wie die zweifelhaften Praktiken der Lebensmittelindustrie. Robins Film schockiert mehr als viele Horrorfilme und entlarvt in seiner Nüchternheit so stilsicher, wie es Michael Moore nur selten gelang.
Die DVD von absolutmedien gibt’s seit 11. März im Handel.