Montag bis Freitag ab 1 Uhr in der Nacht begrüßt Jürgen Domian für eine Stunde in seiner vom WDR Fernsehen übertragenen Radiosendung auf 1LIVE Anrufer, die von sexuellen Perversionen, Gewaltverbrechen oder Schicksalsschägen berichten. Die Dokumentation Domian – Interview mit dem Tod startet am 19. November im Kino und widmet sich Begegnungen des Telefonseelsorgers, Talkmasters und Ratgebers mit der eigenen Endlichkeit. Und erliegt dabei dem Charme des Moderators, der beinahe eine One-Man-Show abliefert.
Ein junger Mann, der sich mit 60 Kilo Hackfleisch seine Traumfrau formt, um sich an dem Fleischhaufen sexuelle Befriedigung zu verschaffen oder eine Rentnerin bzw. Spermafetischistin, die sich nach dem Sex aus kosmetischen Gründen im Gesicht mit Sperma einreibt: Es sind Geschichten wie diese, für die die Telefon-Talkradio-Sendung „Domian“ auf 1 Live (übertragen im WDR Fernsehen) wohl am meisten bekannt ist. Etwa 20 000 Telefonanrufer hatte Moderator und Telefonseelsorger Jürgen Domian seit dem Start 1995 in seiner Sendung und die Themen behandeln Kurioses, Witziges, Perverses, aber auch harte Schicksalsschläge. Ende 2016 ist jedoch damit Schluss, Deutschlands bekanntes Zuhörer und Ratgeber Domian hat dann seinen Abschied angekündigt – was viele seiner Fans heute schon trauern lässt.
Die Dokumentation Domian – Interview mit dem Tod (Kinostart: 19. November) widmet sich nun den Telefonaten, die thematisch mit dem, so Domian, „größten Mysterium unserer Existenz“ zu tun haben. Insgesamt sechs Anrufer aus den Jahren 2014 und 2015 wurden von Regisseurin Birgit Schulz (Die Anwälte – Eine bundesdeutsche Geschichte, 2009) besucht und stellen ihre Erlebnisse und ihre Begegnungen mit dem Tod detailiert vor, mit dem Trauer, Abschiednehmen und das eigene, lange Sterben eine große Rolle spielen. Darunter befindet sich etwa der 60-jährige Klaus, der als ehrenamtlicher Ratgeber (Telefonseelsorger) schon einmal live am Telefon den Suizid einer jungen Mutter auf den Bahngleisen miterlebt hat oder der Mittfünfziger Mörder Klaus, der im Alter von 18 Jahren seine Nachbarin aus Habgier erstochen und danach eine lange Knast- und Drogenkarriere durchlaufen hat. Diese traurigen, echten Geschichten wirklicher Menschen berühren durch ihre Authentizität, auch wenn Kameramann Timm Lange zu oft Blicke in den sonnenstrahldurchsetzten Wolkenhimmel als metaphysische Metapher für das Leben im Jenseits in den Film implementiert. Doch nutzt sich das durchschaubare Konzept mit dem Vorstellen neuer Anrufer, die in “Homestories” vor der Kamera ihre bisher nur aus dem Radio bekannten Geschichten um Trauer und Verlust erzählen, mit zunehmender Laufzeit auch durch seine emotional bedrückende Wirkung immer mehr ab.
Zwischendurch kommen auch Hörer der Sendung zu Wort und vor allem: Jürgen Domian. Der Moderator berichtet in dieser leider nie ganz austarierten Mischung aus Portrait von sich selbst und den Hintergründend er Sendung von seinem Tagesablauf, dass er erst morgens gegen 5 Uhr zur Ruhe kommt, und von seinem Urlaub in Lappland, bei dem er das Licht und die Stille am meisten schätzt. Jürgen Domian hat übrigens unter demselben Titel, “Interview mit dem Tod”, 2014 ein Buch über ein fiktives, etwas abgehobenes Gespräch mit dem Sensenmann veröffentlicht, aus dem in Domian – Interview mit dem Tod immer mal wieder zitiert wird. Auch Ereignisse aus seiner eigenen Biografie wie der Besuch der Volksschule und die Zertrümmerung seines strengen christlichen Glaubens durch Nietzsche und Feuerbach, die er im Buch thematisiert, finden sich in diesem Kinofilm wieder. Und genau hier liegt das Problem: Gerade da die anderen Portraitierten mit ihren skizzierten Schicksalen nicht an den Charme und die Präsenz eines Jürgen Domian heranreichen, ist die unreflektierte Dokumentation von Birgit Schulz vor allem eine riesige Werbeplattform für den sympathischen Ratgeber in allen Lebenslagen, seine inzwischen zum Kult avancierte Radio-Talkshow und sein Buch.
Titel: Domian – Interview mit dem Tod
Produktionsland/-jahr: Deutschland 2015
Verleih: mindjzazz pictures
FSK & Laufzeit: ab 12, ca. 78 Min.
Kinostart: 19. November 2015
Bereits ab 11. Dezember auf DVD erhältlich.