Auf eine für die OFDb (bis zu meinem eigenen Eintrag) unbekannte Only-VHS-Fassung eines unbekannten Films zu stoßen, ist heutzutage eine Seltenheit. Und doch ist es über eine nerdige Facebook-Gruppe passiert. Ich habe kürzlich mit „Scooter in Palm Beach“ (oder alternativ auch „Ferien in Palm Beach“) vom Label Video-Live eine „unaufwendige, aber recht lustige kleine Komödie“ erworben – womit auch schon die einzige, drei Sätze lange deutsche Filmkritik Im Netz zitiert ist. Mein Text schickt sich an, die längste Auseinandersetzung mit dieser liebenswert-trashigen Familienkomödie aus den 80ern zu sein, die in Deutschland nur auf VHS erhältlich ist. Beginnen wir mit dem Plot:
Rotzlöffel Gerald „Scooter“ Armstrong (Reggie Cristofer) ist der Sprössling reicher Eltern, die sich auf eine Afrika-Reise begeben. Als ihr Flugzeug (vermeintlich) abstürzt, ist Scooter unter der Obhut der schwarzen Haushälterin auf sich allein gestellt. Gegen Bargeld verkauft Scooter dem geldgierigen Galeristen Bender (David Ewing) zunächst Van-Gogh-Gemälde aus der Sammlung seiner Eltern, später vermeintlich wertvolle moderne Werke des bisher unbekannten Künstlers Vincent Pushkart – die er mithilfe seines Hundes selbst geschaffen hat. Da Scooter und seinem besten Kumpel Sherman (Jared Koss) bereits die Jugendfürsorge auf den Fersen ist, bitten sie einen Matrosen (deutscher Rollenname: Käpt’n Iglo!), ihn auf seine Überfahrt mitzunehmen. Doch der will die beiden Grundschüler entführen…
Wenn Scooter anfangs Lehrern bei einer Standpauke schleimige Masse in die Hand drückt oder später während einer Dinnerparty mit angeklebtem Bart und Hut (wobei natürlich keiner ein Kind darunter erkennt) Schabernack mit einer elitären Gesellschaft treibt, ist ein deutliches Vorbild zu erkennen. Regisseurin und Drehbuchautorin Marlene Rogoff hat sich mutmaßlich von den Comics oder der Fernsehserie rund um die Lausbubengeschichten von „Dennis“ aus der Feder von Hank Ketcham inspirieren lassen. „Scooter in Palm Beach“ blieb für sie und Scooter-Darsteller Reggie Cristofer (sowie 80% der Crew) der einzige Filmografie-Eintrag – und das aus gutem Grund: der Kinderdarsteller war unter vermutlich vagen Mal-schauen-was-bei-rauskommt-Anweisungen einfach talentfrei – anders sind zahlreiche Blicke in oder direkt neben die Kamera jedenfalls kaum zu erklären.
Das Urteil einer „Langfristig gute[n] Umsatzerwartung in Familienvideotheken“ auf Kino.de (siehe Link oben) kommt jedoch nicht von ungefähr: „Scooter in Palm Beach“ hat trotz (oder wegen) überzeichneten Karikaturen von Erwachsenen und aller albern-dümmlicher Späße, die weitaus harmloser ausfallen als die von Nervensäge „Dennis the Menace“ einen gewissen Charme. Neben der Verhohnepiepelung des Kunstmarkts – mit Scooters Hund, der entscheidende Farbtupfer auf seinen Werken beisteuert, auf denen er schon mal ein Telefonhörer anklebt – ist es vor allem die deutsche Synchronisation, die ordentlich Laune macht. So erzählt Käpt’n Iglo bei einem Lagerfeuer auf der Pelikaninsel dann gleich einmal, wie er beim Kampf mit einem Killerkarpfen den Fisch in Streifen schnitt, mit Teer (!) übergoss – und so Fischstäbchen erfand. Scooters schriftstellerisch ambitionierte Mutter bemerkt einmal (Zitat): „Jetzt kann ich endlich eine gute Story schreiben. Ich werde sie an die ‚Praline‘ verkaufen.“ Zu derartigem Halligalli passt, dass im Original der bierernste Richter (Mike Navib) einer Sorgerechtsverhandlung den Namen Xavier Witless (zu deutsch: geistlos) trägt. Ärgerlich aus heutiger Sicht ist hingegen die betont tuntige Synchro von Benders zudringlichen, schwulen Assistenten Vickers (Joe Callaghan) mit Lederjacke und Schnurrbart, die voll ärgerlicher homophober Ressentiments steckt.
Titel: Scooter in Palm Beach (Ferien in Palm Beach)
Label: Video-Live
Land/Jahr: USA 1987/88
FSK & Laufzeit: ab 6, ca. 92 Min.