Eigentlich ist alles ganz einfach. Bette Davis wird als Henriette Desportes, genannt Henriette Deluzy, Kindermädchen in dem Haus eines französischen Duc und bringt Liebe in ein bis dahin kaltes Haus. Die Parallelen zu The Sound of Music sind kaum zu übersehen, aber sie sind nur sehr oberflächlich. Denn nicht nur wird hier nicht gesungen und getanzt, auch fehlt die unbändige, verstörende Lebensfreude. Denn in All This, and Heaven Too (so der Originaltitel) geht es um brutale Schicksalsschläge, mit denen für die kurzen Momente des Glücks bezahlt werden muss. Es ist ein klassisches Melodram, in dem eine unschuldige Hauptfigur, ein ganz und gar tadellose noch dazu, von ihrer Umwelt, vom Schicksal und von den unreinen Gedanken ihrer Neider gequält wird. Nicht aufs Blut, aber ihre Seele wird bis ans Ende der Aushaltbarkeit gepeinigt.
Hier ist es nicht der Mann wie bei den von Trapps, der durch den Tod seiner Frau verbittert ist, sondern es ist die nur allzu lebendige Frau, die ihre Kinder nicht erträgt und in grenzenloser Selbstsucht hinter allem, was ihr Mann ohne sie tut, paranoide Schrecken des Betrugs ahnt. Sie quält alle, die sie liebt, also vor allem sich … im Glaube es sei die Liebe zu ihrem Mann … und macht allen das Leben schwer. Wie ein kleines Kind will sie ihren Trotzkopf gegen alle Möglichkeiten, gegen jeden gesunden Menschenverstand durchsetzen. Ihre Kinder behandelt sie wie Dinge, mit denen sie ihren Mann für fehlende Zuneigung abstrafen kann. Ihr Mann erträgt sie so immer weniger. Sie ist die Inkarnation einer geifernden Hysterie, die alles zerfrisst, was sie an ihren Busen drücken möchte.
Und der größte Dorn in ihrem Auge ist Henriette Desportes, genannt Henriette Deluzy. Diese wird von den Kindern geliebt, weil sie sich tatsächlich für diese interessiert, und gewinnt die Zuneigung ihres Mannes, der bei so einer bezaubernden Dame fast nicht glauben kann, dass dies ein Mensch aus Fleisch und Blut sei … so körperlos und anständig wie sie ist. Die Duchesse de Praslin fühlt sich hintergangen und zetert und verbreitet pausenlos giftige Anklagen, die ihren Mann nur in die Hände des unschuldigen, zauberhaft guten Kindermädchens treibt. Ja, alle außer ihr finden ihr Glück aus den Händen dieser tadellosen Mary Poppins … und das erträgt die Duchesse nicht.
Ort und Zeit sind eigentlich egal. Wir befinden uns mehr oder weniger zufällig in einem Frankreich, das sich 1846 noch in den Klauen einer strikten Ständegesellschaft befindet. Jeder ist seinen Pflichten und dem Wahren seiner Außendarstellung unterworfen. Beichtväter, Klatschpresse, der Pöbel und Schwiegereltern, alle warten nur darauf, dass jemand sich etwas gönnt, dem sich alle anderen brutal verwehren, um dann auf diesen loszuhacken … wie immer und überall, wie mir scheint. Und Madame Deluzy, Madame Desportes, Madame D., obwohl sie nichts Böses will, die sich sogar mit aller Kraft von ihrem geliebten Arbeitgeber fern hält und nur das Glück der Kinder als Ziel hat, über ihr entlädt sich ein Wirbelsturm des Hasses und der Entrüstung. Die Presse zieht sie durch den Dreck und macht aus ihr eine Symbolfigur der Verkommenheit. Sie, die nur gut ist, ertrinkt in einem Meer aus Ungerechtigkeiten. Und es ist so ruhig, so durchdringend inszeniert, dass es einen unangenehm berührt. In all unserer kindlichen Selbstgerechtigkeit fühlen wir mit den armen Opfern, weil wir es auch kennen, dass die Welt da draußen uns armen Tröpfen so viel Unrecht antut, ohne dass wir etwas dafür könnten.
Doch nicht jeder wird hier mit Madame D. in seinen Gefühlen ertrinken, denn wenn wir das kurze, unschuldige „eigentlich“, mit dem der Text begann, weglassen, wird aus All This, and Heaven Too ein bösartiger Reißer. Vielleicht liegt es daran, dass ich sie mit Whatever happened with Baby Jane? kennengelernt habe, aber ich mag meine Bette Davis als eigenwillige, zuweilen bösartige Naturgewalt und tendiere dazu, sie auch so zu sehen. Mit ihren Augen und ihrem Mund, die für Leid geboren wurden und Hass zeigen können, wie keine anderen, da mag ich ihr diese unschuldige Person kaum abnehmen.
Die Tür ins Unbehagen stößt das Drehbuch von Casey Robinson selbst auf, denn alles ist nur die Erzählung von Bette Davis‘ Figur, die in die USA geflohen ist und als Lehrerin von ihrer Schulklasse mit den alten Skandalen konfrontiert, die Geschichte aus ihrer Sicht darlegt um sich von den Anschuldigungen rein zu waschen. Ihre Schwarz-Weiß-Malerei wirft Schatten um sich. Ahnungen und Vermutungen blitzen aus ihr heraus. Ich sah vor meinem geistigen Auge, wie sie mit dem Bauch auf einem Tisch lag, der Duc hinter ihr und wie sie nach mehr rief, wie sie grinste und sich ihrer Intrigen erfreute. Wie sie diabolisch in die Kamera grinste und sich ihrer Manipulationen hingab, auf das alle sie lieben sollten, auf das alle, die es nicht taten, im Unrecht waren. Wie sie die Kinder des Duc um den Finger wickelt, wie die in ihrer Klasse. Wie sie ihre Konkurrentin zur hysterischen Wahnsinnigen entstellt. Diese protofaschistische Selbstgerechtigkeit der Erzählung lädt einfach zu Spekulationen ein und wenn Bette Davis die Projektionsfläche für diese ist, kennen, zumindest bei mir, die Untiefen kaum Grenzen.
Durch einen mir nicht nachvollziehbaren Glücksfall hat Das Glück in der Glaskugel noch einen zweiten deutschen Titel. Dieser mag so überhaupt nicht passen, fängt aber die Atmosphäre verzerrt und wunderschön ein. Hölle, wo ist dein Sieg? … dabei ist es doch klar. Die Hölle siegt in der Erzählung dieser unschuldigen Schlange auf so vielen Ebenen, dass es diese Frage eigentlich gar nicht wert ist, gestellt zu werden. Aber doch spricht sie von den sensiblen Zwischenräumen, die beim Sehen verschüttgehen können … oder eben aus allen Ritzen dampfen.