Seven Men From Now – Der Siebente ist dran (USA 1956)

Nachdem Fluss ohne Wiederkehr Otto Preminger bei einem Abstecher in ein ihm fremdes Genre zeigte, ist Seven Men from Now eine Arbeitsprobe eines v.a. mit Western identifizierten Regisseurs. Budd Boetticher hatte zuvor schon Western gedreht, doch “Seven Men” bildete den Auftakt des “Ranown-Zyklus”, einer Serie von Filmen mit Randolph Scott, die seinen Ruhm zementieren sollte. Mehr über Boetticher kann man u.a. bei Heise.de nachlesen.

“Dies ist in der Tat der intelligenteste Western, den ich kenne”, schrieb André Bazin 1957, “aber auch der am wenigsten intellektuelle, der raffinierteste und der am wenigsten ästhetisierte, der einfachste und der schönste.”[1. Bazin, André: Ein exemplarischer Western. Seven Men From Now, In: ders.: Was ist Film? Berlin: Alexander Verlag, 2009², S. 283] Lauter scheinbare Widersprüche versammelt Bazin in seinem Urteil über Budd Boettichers “Seven Men From Now”. Das Drehbuch weist er als in seiner Struktur simpel aus. Ein Mann muss sieben Männer töten. Ein Achter kommt womöglich hinzu. In den Folgejahren drehte Boetticher diesen “einfachen” Film immer wieder. Man kann ihn “Ride Lonesome” nennen, “The Tall T” oder eben “Seven Men From Now”. Was die politique des auteurs den ‘großen’ Regisseuren als Methode zugeschrieben hat – Wiederholung und Variation –  treibt Boetticher mehr noch als Ford oder Melville auf die Spitze. Wundersam spricht deshalb für sein Werk, dass man es erst in seiner Gänze wirklich zu schätzen lernt.

Der Ranown-Zyklus, jene B-Western, welche von Hauptdarsteller Randolph Scott und Harry Joe Brown produziert wurden, gestaltet sich deshalb als Sammlung einander gleichender Ausschnitte aus einer entfernten Sagenwelt, die von wenigen Wesen/Figurentypen beheimatet wird. Scott ist Siegfried, Beowulf und andere in einer Person. Sein Gentleman-Cowboy kommt aus dem Nichts, besteht ein Abenteuer, verschwindet wieder. Dieses Motiv ist elementarer Bestandteil des frontier-Mythos und wurde von keinem treffsicherer verkörpert als von John Wayne. Boettichers Filme jedoch gehen jeder Historizität aus dem Weg. Während andere Genre-Kollegen die Eroberung des amerikanischen Westens mythologisieren, bewegen sich Boettichers Sagenwesen durch eine vorzeitliche, eine archaische Welt. Nicht weniger mythisch ist diese. Doch während der Western Dichotomien von Wildnis und Zivilisation, Westen und Osten, Mann und Frau verhandelt, erwecken Boettichers Filme zu keinem Zeitpunkt auch nur den Anschein, sie würden irgendeinen gesellschaftlichen Diskurs – und wenn es nur jener um den Gründungsmythos der USA ist – aufgreifen. “Seven Men From Now” handelt ebenso wenig wie “The Tall T” von Amerika. Allenfalls dreht sich der Film um einen Mann, dessen Frau bei einem Überfall ermordet wurde, einen Mann, der nun die Rache sucht.

Den Weg der Rache gestaltet Boetticher in verschiedenen Urszenen. Ein nächtliches Gewitter. Bei strömenden Regen gesellt sich ein Fremder zu zwei schutzsuchenden Männern in eine Höhle. Es werden die ersten beiden Häkchen auf der Todesliste sein. Selbiger blickt wenig später auf ein Tal hinab. Ein Siedlerehepaar versucht, einen Planwagen aus dem Schlamm zu befreien. Es ist eine jener Zufallsbegegnungen, die im Ranown-Zyklus immer wieder auftauchen, genau wie das gemeinsame Kaffeetrinken mit dem Schurken oder der vereinsamte Außenposten in der Wildnis. Scotts Gentleman bandelt natürlich mit der verheirateten Dame an. Einer Sirene gleich umgarnt ihr Gesang Held und Ehemann, während sie ein Bad nimmt. Das ist so eine Szene, die man dem harten Hemingway-Verehrer nicht zutrauen würde, doch Boettichers Filmen ist eine wilde Romantik immanent, welche den Frauen – entgegen seiner eigenen Ausführungen – alles andere als nur die Rolle des Beiwerks zukommen lässt.

Man könnte ebenso gut über Randolph Scotts würdevolle Darstellung reden oder Lee Marvins exzentrisch unterhaltsamen bad guy, doch begnügen wir uns mit Boettichers eigentlicher Heldin: der Landschaft. Wie Ford vom Monument Valley war der frühere Matador besessen vom kargen amerikanischen Westen. Lone Pine in Kalifornien, eine Gegend, welche er mehrfach auf Film gebannt hat, ist mit seinen unwirklichen Gesteinsformationen, der Steppe, den Sanddünen mehr Wüste als Garten Eden; ein menschenfeindliches Fleckchen Erde, in dem man ohne weiteres auch Urzeitfilme mit leicht bekleideten Starletts hätte drehen können. Statt Riesenskorpionen beherbergen die an Geister gemahnenden Indianer diese Wildnis. Sie sind eine, wie die sie umgebenden Berge, sprachlose Präsenz, welche die guten und bösen Cowboys daran erinnert, wessen Heimstatt dieser Teil der Neuen Welt noch immer ist.

Der B-Natur entsprechend effizient inszeniert, ein bisschen als würde Hitchcock einen Western drehen, ist in “Seven Men From Now” keine Minute überflüssig. Die zur Abstraktion neigende Kunstfertigkeit spürt man zudem in jedem Frame, etwa wenn sich eine Schießerei zunehmend von der weiten Landschaft in enge Felsspalten verlagert, all das eingefangen mit einer stummen Unvermeidlichkeit. “Seven Men From Now” ist nicht nur ein “exemplarischer Western”, um Bazins Einschätzung wieder aufzugreifen, sondern einer der besten Vertreter seines Genres.