Eigentlich geben die ersten Minuten schon alles vor. Die Panorama-Aufnahme der Autobahnbrücke, die sich durch das italienische Hinterland schlängelt. Die Hände, welche im Dreck wühlen und das Skelett eines Kindes zu Tage fördern. Der Junge, der ein Tier quält und schließlich das düster erhabene Innere einer Kirche. Trotzdem rätselt man weiter in Lucio Fulcis Don’t Torture a Duckling. Die Verdächtigen werden, wie es sich für einen Giallo gehört, zur Begutachtung des Zuschauers vorgeführt, falsche Fährten gelegt, so dass man bei der großen Auflösung überrascht ist und doch irgendwie nicht, denn man hatte es seit den ersten Minuten des Films vor Augen. Als Giallo wird Fulcis Werk geführt, dabei spielt er im Gegensatz zu vielen Genrevertretern auf dem Land. Es kommen weder blitzende Messer zum Einsatz, noch ist ein mit Lederhandschuhen verzierter Frauenmörder am Werk. Stattdessen werden die Leichen mehrerer Jungen im Dorf Accendura aufgefunden und plötzlich bringt die Außenwelt Interesse an der zurückgebliebenen Gegend auf. Presse und Polizei fallen über das Kaff her und am Ende werden es nicht zufällig zwei Außenseiter sein, die den Übeltäter konfrontieren. Doch die Welle wird zum nächsten Sensationsfall weiterziehen, während in Accendura alles so bleibt, wie es seit Jahrhunderten ist. Zur näheren Verwandtschaft des Films gehören nämlich nicht so sehr die großstädtischen Gialli. Vielmehr bildet der italienische Krimi das Mittelstück eines unwahrscheinlichen Triple Features, reiht er sich reibungslos ein zwischen Sam Peckinpahs Straw Dogs (1971) und Robin Hardys The Wicker Man (1973).
Was Don’t Torture a Duckling ganz wesentlich antreibt, ist das Unbehagen der Moderne gegenüber ihren immer wieder aufblitzenden archaischen Wurzeln. So bietet die Mordserie den Aufhänger, um die rationalen (männlichen) Berichterstatter und Polizisten aus der Umgebung mit dem Kulturschock der Pampa zu konfrontieren; mit ihren unkontrollierbaren Mobs, die jeden Verdächtigen geifernd anfallen und dem ländlichen Aberglaube, der, wie ein Polizist am Rande bemerkt, in dieser Region mit dem Katholizismus Hand in Hand gehe. Wie schon in A Lizard in a Woman’s Skin (1971) spielt die sexuelle Revolution eine wichtige Rolle, nur gelingt es Fulci diesmal, den beißenden Kommentar des Konservatismus italienischer Prägung tatsächlich bis zum Ende durchzudenken und entsprechend umzusetzen. So gibt Barbara Bouchet als Marihuana rauchende Exilantin aus der Großstadt die kühle Verführerin der örtlichen Jugend, die nicht nur durch ihre äußerst moderne Villa Unruhe in die scheinbare Idylle des Dorfes bringt.
Überhaupt sind es die Frauen, welche “Don’t Torture a Duckling” dominieren und mit ihrer unbändigen Energie von Fulci in einigen tollen Groß- und Profilaufnahmen eingefangen werden, aufgerissene Augen und spröde Lippen inklusive. Gegenüber dem emotionalen Wirbelsturm einer Florinda Bolkan als Dorfhexe wirken die eingereisten Männer (u.a. Thomas Milian als Reporter) langweilig, passiv und blass, während die einheimischen Herren sich höchstens in der Gewalt abreagieren können. Auf den Punkt bringt Fulci dies in der herausragenden Friedhofssequenz, in welcher – untermalt von Popsongs aus einem Autoradio – Bolkans Aussätzige von den Vätern der Ermordeten attackiert wird. Dabei scheint es fast so, als wären die toten Jungs selbst aus ihren Gräbern auferstanden, um blinde Rache zu nehmen. Grausamkeit wird als Erbstück gepflegt in Accendura.
Don’t Torture a Duckling schickt seine Protagonisten wie “Straw Dogs” und “The Wicker Man” in die Provinz, um sie in den Morast einer urtümlichen Zivilisation hinabsteigen zu lassen. Dabei ist für Fulci, anders als bei Peckinpah und Hardy, jedoch nicht die Frage von Belang, ob die Helden von ihrer Umgebung infiziert werden. Sie bleiben nicht mehr als Durchgangsverkehr, der in dieser Welt nie Fuß fassen wird und kann. Zugleich lässt sich der Film mit seinen Männern, die den aus ihrer Kontrolle geratenen Frauen perplex gegenüberstehen, ebenso gut als Überzeichnung einer Moderne lesen, deren Unbehagen sich vor allem gegen sich selbst richtet. So oder so ist Lucio Fulci ein visuell passend überhitztes, wenn auch nicht fehlerfreies Dokument der italienischen 70er gelungen, das man in seinem Ernst von diesem Regisseur nicht erwartet hätte.