#258 – The Fall Guy von David Leitch

Nach Bullet Train huldigt Regisseur David Leitch in The Fall Guy seiner früheren Zunft: den Stuntleuten. Ryan Gosling bringt den Serienhelden Colt Seavers ins Kino und Emily Blunt gibt die Debüt-Regisseurin, die einen Blockbuster trotz exzentrischem Star und Krimi-Plot auf die Leinwand bannen soll. Im Podcast diskutieren wir, wie Leitch sich als Regisseur eine Marke aufbaut, ob The Fall Guy die letzte Zeltstange in Hollywood ist und mehr. Viel Spaß!

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Wollmilchcast #39 – A Quiet Place – Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

A Quiet PLace - Emily Blunt in Badewanne

Der neuste Horror-Hype heißt A Quiet Place und markiert die dritte Regiearbeit von Schauspieler John Krasinski, der aber eher für seine wissenden Blicke in die Kamera von The Office US bekannt ist. Gemeinsam mit Ehefrau Emily Blunt findet er sich umringt von Aliens wieder, die ihre Opfer übers Gehör finden. Der High Concept-Film von Platinum Dunes ist ein Horror-Kassenschlager in den USA, der zur Abwechslung nicht bon Blumhouse stammt. Im Podcast sprechen Matthias von Das Filmfeuilleton und ich über den gar nicht mal leisen Film. Außerdem stellt Matthias Dennis Gansels Verfilmung von Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer vor, der leider nicht mit Marionetten gedreht wurde (sondern Uwe Ochsenknecht), und ich stelle die Fliegen-Rache-Komödie Makkhi – Die Rache der Fliege von 2012 vor, bei dem  S. S. Rajamouli Regie führte, seines Zeichens für das Epos Baahubali 1 und 2 verantwortlich. 
Shownotes:
00:01:13 – A Quiet Place (!Spoiler!)
00:37:36 – Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer
00:53:56 – Makkhi – Die Rache der Fliege (OT: Eega)
01:08:36 – Verabschiedung
Hört euch die Wollmilchcast-Folge an:
Bei Audiomack oder hier im Blog:

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Intro und Outro: Kai Engel – Slum Canto (aus dem Album Sustains)
Nutzung im Rahmen der CC BY 4.0-Lizenz. (Homepage des Künstlers)
Copyright Titelbild: Paramount

Kontrapunkt: Neu auf DVD – von Capelight Pictures

Die Aufnahme in den erlauchten Kreis der Medienpartner bescherte mir diese Woche die Sichtung zweier Filme, die eigentlich ganz nett sind – aber irgendwie nicht mein Geschmack.

The Runaways (USA 2010)

Von jungen Frauen vorgetragener Punkrock in den 70ern war vor allem eins: laut. Das merkt man „The Runaways“, der die Geschichte der gleichnamigen Band aus der Sicht von Sängerin Cherie Currie (dargestellt von Dakota Fanning) nachzeichnet, deutlich an. Ob Regelblut auf dem Bürgersteig, Drogenexzesse, Andeutung lesbischer Erotik oder schlampige Klamotten: Mit plakativen Bildern des „wilden Lebens“ wird nicht gegeizt, was die ebenso reißerische wie oberflächliche Attitüde des Films weiter verstärkt. So überzeugen die musikalische Atmosphäre (Suzi Quatro, David Bowie u. a.) und das authentische Zeitkolorit dann auch mehr als der obligatorische Tiefgang mit problematischen Familienverhältnissen und Drogenkarriere. Das Highlight: Michael Shannon („Zeiten des Aufruhrs“) als vulgärer, hyperventilierender Musikproduzent Kim Fowley – und somit eines der wenigen humoristischen Elemente. Die Ausstattung der am 22.10. erscheinenden DVD ist solide: Audiokommentar, eine kurze Featurette und ein 15-minütiges Making-Of. Das ist nett, aber nicht außergewöhnlich. Etwas detaillerter: Meine Kritik auf MovieMaze.de.

Young Victoria (GB/USA 2009)

Die junge Prinzessin Victoria (Emily Blunt) muss sich auf ihre Rolle als künftige Königin vorbereiten, die aufgrund von Querelen mit der Politik nicht gerade einfach ist. Doch zum Glück lernt sie Prinz Albert von Sachsen-Coburg (Rupert Friend) kennen und lieben, der sie – nach ihrer Krönung – bei den Regierungsgeschäften unterstützt. Der Film will dabei um historische Exaktheit bemühte Geschichtsstunde, Coming-Of-Age-Charakterdrama und Liebesfilm zugleich sein, scheitert aber durch seine zu blutleere Inszenierung und Dialoglastigkeit an diesem Anspruch. Rein dekorativ gibt es jedoch an „Young Victoria“ nichts auszusetzen, wenn die oscarprämierten Kostüme oder oscarnominierte Ausstattung in zahlreichen (Halb-)Totalen in ihrer ganzen farbenfrohen Pracht erstrahlen, woran auch das glasklare Bild der am 24.09. erschienenen DVD entscheidenden Anteil hat. Den historischen Kostümen ist folglich auch ein interessantes Feature gewidmet, während sonst – natürlich – auch ein Making-Of unter den Extras zu finden ist.

Kontrapunkt: Slumdog Millionär, Sunshine Cleaning & Ben X

Dieses Mal ein Kontrapunkt über noch relativ aktuelle Filme, die allesamt spätestens vergangenes Jahr in den deutschen Kinos liefen bzw. im nächsten Monat noch laufen werden. Und nein, ich habe mir „Sunshine Cleaning” nicht gesaugt, sondern habe mir den einmal mehr zusammen mit the gaffer zusammen in die Erfurter Sneak gegeben.

Slumdog Millionär (GB 2008)

Hier nun also noch irgend so eine Kritik zum am meisten über den Klee gelobten Film 2008. Die gute Nachricht vorweg: Ein Großteil der 8 Oscars für diesen Genre-Mix zwischen Armutsdrama, Liebesgeschichte und Thriller ist hochverdient (Kamera, Ton, Musik, Regie) und das ist nur einer der Gründe, warum dieses Feel-Good-Movie of the Year noch mehr Spaß macht.

Einziger Wermutstropfen: Bollywood hat damit auch den Westen erobert und ich kann mit Shahrukh Khan und den wüsten 2,5 Stunden-Genremixen mit Love-Story meets Actionfilm meets Musical-Epos nichts anfangen. Und dass man sich im indischen Kino auch unter britischer Regie nicht gänzlich von diesen für mich als Westeuropäer immer noch befremdlichen wie überladenen Dingen verabschieden will/kann, zeigt sich im Abspann, der dem vorhergegangenen bewegenden Seriös-Film eine unnötige Spaß-Musicalnummer bar jeglichem zuvor kolportierten Knallhartrealismus folgen lässt. Der Film berührt, aber man sollte schon mit Beginn des Abspanns und noch gänzlich unter dem visuell-akustischen Drogencocktail, den uns Slumdog Millionär bis dahin verabreichte, das Kino verlassen.

Sunshine Cleaning (USA 2008)

„Ein überdurchschnittlicher, aber entbehrlicher Independent-Film” trifft als Fazit wohl am besten zu. Irgendwie geht es in Sunshine Cleaning um das Schicksal der working class-Schwestern Norah (Emily Blunt) und Rose (Amy Adams), die zusammen eine Reinigungsfirma mit Namen – na? – Sunshine Cleaning eröffnen und bevorzugt an Tatorten nach der Spurensicherung Körperflüssigkeiten und ähnliches Gekröse von den besudelten Wänden entfernen. Natürlich fehlen ein spleeniges, seltsames Kind und ein schrulliger Großvater, der die seltsamsten Geschäftsideen hat, auch nicht im Figurenbrei. Alan Arkin ist in letzterer Rolle einmal mehr die Idealbesetzung und weckt nicht nur durch die Parallelen, was seine Rollenwahl angeht, Assoziationen zu „Little Miss Sunshine”. Nur dass „Little Miss Sunshine” wenigstens eine Story entwickelte, während man sich bei „Sunshine Cleaning” stets fragt, wann diese abseits der vorgetragenen, losen Episoden und Momentaufnahmen schwankend zwischen Drama Komödie endlich beginnt. Charmant, ja, aber inhaltlich dennoch irgendwie ziemlich planlos.

Ben X (B/NL 2007)

Ein Autist namens Ben (Greg Timmermans), der sich in der Computerwelt des Online-Rollenspiels „Archlord” ausleben kann, während er in der Schule von Mitschülern nur drangsaliert wird, setzt zum Gegenschlag an. Dabei ist Ben X ebenso berührend wie durch die zunehmende Verschmelzung von virtueller Realität und Alltag aus der subjektiven Sichtweise der Hauptfigur so faszinierend wie verstörend.

Man erlebt seinen von Anfeindungen und Unverständnis geprägten Alltag und seinen innerlichen Kampf mit, auch wenn Greg Timmermans hin und wieder bei seinem um Einfühlsamkeit bemühten Schauspiel die Augen etwas zu weit und wahnsinnig aufreißt. Schnelle Schnitte, unverhoffte Nahaufnahmen, kurze Inserts usw. strengen bei Sichtung dieses außergewöhnlichen Films mit noch außergewöhnlicherer Pointe, die es sich nicht so leicht macht wie das Klischee, an, reflektieren aber eindringlich den Seelenzustand des Autisten Ben, der in seiner eigenen Welt lebt. Ein Film der manchmal hart an den Nerven zerrt, anstrengt, vielleicht auch schwer zugänglich ist, aber durch die vielen Reflexionsmöglichkeiten lohnt.

Sunshine Cleaning (USA 2008)

Familiäre Querelen bilden den Stoff aus dem die Träume amerikanischer Independent-Filme gehäkelt werden. Zumindest, wenn man diejenigen betrachtet, welche irgendwie in den Mainstream einzudringen in der Lage sind. Was ihre Indie-Gebärden eigentlich schon wieder in Frage stellt, aber zurück zum Thema: Sunshine Cleaning, inszeniert von der Neuseeländerin Christine Jeffs (“Sylvia”), reitet freudig auf der “Little Miss Sunshine”-Welle. Mal wieder eine akut dysfunktionale Familie mit verschrobenen, aber liebenswürdigen Mitgliedern, die sich durch eine Skurrilität nach den anderen quälen, um am Ende irgendwie doch wieder zusammenzufinden. Happy End im Indie-Himmel eben. Nun gut, so einfach macht es sich Jeffs nicht. Leider. “Sunshine Cleaning” ist nämlich trotz all der Ingredienzen nie ganz sicher, ob es eine bizarre Komödie oder eine tränenreiche Tragödie sein will. Als Tragikomödie will der Film nämlich nicht recht überzeugen.

Dabei ist die High Concept-Prämisse und besonders die Besetzung eigentlich höchst vielversprechend: Zwei ungleiche Schwestern (wie viele Inhaltsangaben beginnen wohl so?) kämpfen sich durch ihr mehr oder weniger  stark ausgeprägtes Loser-Dasein. Die “alternative” Norah (Emily Blunt, die aussieht wie eben alternative Twen-Frauen aussehen) schlägt sich wenig erfolgreich als Kellnerin durch und verliert gleich zu Beginn ihren nicht gerade vielversprechenden Job. Währenddessen träumt die “bürgerliche” Rose (Amy Adams) vom gesellschaftlichen Aufstieg, doch zu mehr als einer Anstellung als hochwertige Putze und einer Affaire mit einem verheirateten Mann (Steve Zahn) hat sie es leider auch nicht gebracht. Ihr Sohn Oscar sorgt derweil für Unruhe in seiner Schule, weil er alles ableckt (zum Glück will er keine Schönheitskönigin werden) und Vater Joe (Alan Arkin) kann in Sachen geschäftlichem Erfolg auch nicht gerade als Vorbild dienen. Als Rose ihren missverstandenen Sohn auf eine Privatschule schicken will, braucht sie dringend Geld. Ihr Lover und Cop Mac bringt sie auf eine lukrative Idee: Warum nicht einen Reinigungsdienst für menschliche Überreste an Tatorten und in den Wohnungen Verstorbener gründen?

Absonderliche Gewerbetreibende wie die beiden Schwestern Lorkowski gehören gemeinhin zu den Spezialitäten britischer Filme, man denke an “Grasgeflüster” oder “Irina Palm”. Im Gegensatz zu Brenda Blethyn und Marianne Faithfull müssen Blunt und Adams allerdings mit einem inkohärenten Drehbuch auskommen, welches kaum jemals den zünftigen schwarzen Humor in die tragischen Familienverwicklungen zu integrieren weiß. Dass der blutige Job der beiden sehr bald zur reinen Plot-Maschine mutiert, nimmt auch noch den Spaß an der ganzen Sache. Denn als hätte ein mittelmäßiger Drehbuchratgeber Pate gestanden, wird Norah bei der morbiden Arbeit mit dem Tod ihrer Mutter konfrontiert; lernt Rose (über die Arbeit) einen netten einarmigen Verkäufer kennen (man, ist das skurril!); dient der Reinigungsvorgang als recht billige Metapher für die Auseinandersetzung mit der Familienhistorie.

So verzückt man bei der Vorstellung, Emily Blunt und Amy Adams tragen stinkende Matratzen durch die Gegend, auch glucksen will, verliert sich der fast schon hinreißend gestartete Film bald in diversen Handlungssträngen, die er entweder nicht zum Ende bringt oder erst gegen Ende aufnimmt. So ist Blunt diejenige, die über den Tod der Mutter offensichtlich nicht hinweggekommen ist, doch einigermaßen unmotiviert darf Adams diesen Konflikt mit einem unglaublich blödsinnigen Funk-Gespräch in den Himmel zum Ende führen. Wer einen mehr als nur akzeptablen Film über zwei ungleiche Geschwister mit einem Mutterkomplex und einem Hauch Melo-Kitsch sucht, sollte jedenfalls auf Curtis Hansons unterschätzten In den Schuhen meiner Schwester zurückgreifen. In dem scheinen die Gefühle wenigstens echt, müssen sich die glaubwürdiger gezeichneten Figuren nicht hinter Indie-Kunstgriffen verbergen.

Klingen die Worte dieser Kritik ein wenig giftig, so doch nur weil hier zwei der besten Schauspielerinnen ihrer  jeweiligen Generationen auftreten und keine von beiden sonderlich beeindrucken kann. Emily Blunt und Amy Adams spielen routiniert und solide. Das ist vielleicht bei einem altgedienten Veteranen wie Alan Arkin noch akzeptabel, der nichts mehr zu beweisen hat. Da der allzu unkonzentrierte Film nicht mehr zu bieten hat als die beiden, muss im nachhinein eine Enttäuschung von nicht zu unterschätzender Größe Einzug halten. Die beiden Hauptdarstellerinnen mit unnötig vielen – wenn nicht gar nervenden – Heulszenen zu bedienen, verleitet am Ende auch noch zum ungeduldigen Herumrutschen im Kinosessel. Wann ist das mal ein gutes Zeichen?