#228 – Iron Man von Jon Favreau (Moderne Blockbuster)

Wir schließen unsere Reihe über die “modernen Blockbuster” mit einer XXL-Folge ab, die es in sich hat. Denn wir erklären, warum Iron Man (2008) einer der ersten Vertreter einer neuen Ära des Tent-Pole-Kinos ist und wir schenken dieser Ära einen Namen, der sich (ganz sicher) wie ein Lauffeuer verbreiten wird.

Wie hebt sich der Film von anderen Superheldenfilmen der 2000er ab und welche Eigenschaften teilt er mit Michael Bays Transformers, den wir ebenfalls in dieser neuen Phase verorten, die nach dem klassischen und dem modernen Blockbuster kommt? Am Ende springen wir außerdem in die Gegenwart, in der das Superheldenkino in der finanziellen Krise zu stecken scheint und spekulieren über die Zukunft des hochbudgetierten Filmgeschäfts made in Hollywood.

Alle Filme der Reihe:

  • Terminator: Judgement Day
  • Jurassic Park
  • Goldeneye
  • Independence Day
  • Titanic
  • The Mummy
  • The Fellowship of the Ring
  • Spider-Man
  • Revenge of the Sith
  • Transformers
  • Iron Man
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Lese- und Lachstoff

Intellektuelle Stimulation und einen Einblick in die Resultate des professionellen Filmjournalismus bieten die folgenden Artikel, auf die ich mal wieder in Momenten ungebetener Langeweile gestoßen bin:

Ein erhellender Artikel zur abwechslungsreichen Karriere von Iron Man Star Robert Downey Jr. findet sich auf der Onlinepräsenz der Zeitschrift epd Film. Das ganze in einem Stil, der unter der Konkurrenz noch immer seinesgleichen sucht:

Dazu dieses Gesicht, das in zwei Hälften zerfällt. Die murmelrunden braunen Augen, die fast überlaufen vor einer Melancholie, die sich kaum deuten lässt, darunter der Mund, der gegen die übergroße Traurigkeit der oberen Gesichtshälfte anredet. Eine geradezu verstörende Widersprüchlichkeit, die es Downey ermöglicht, mit den Lippen zu lügen und mit dem Blick die Wahrheit zu sagen. Diese Ambivalenz zwischen einer schon depressiven Weltverneinung und rhetorischem Charme, zwischen tatsächlichem Böse- und möglichem Gutsein, zwischen Erlösungssehnsucht und Verführung zum Abgrund lässt sich in vielfach schillernder Weise für sein Rollenrepertoire ausbeuten.

Vielleicht nicht die beste Kritik aller Zeiten, aber ein schöner Vorwand zur Werbung für die Zeitschrift, ist der Beitrag zu Iron Man auf der Homepage des Magazins Schnitt. Die Synthese von hintersinnigen Filminterpretationen und unterhaltsamen Kritiken ist nur einer der vielen Gründe, diese vierteljährig erscheinende Zeitschrift zu lesen.

Die New York Times Autorin Manohla Dargis beschäftigt sich in ihrem Artikel “Is There a Real Woman in This Multiplex” mit der Abwesenheit von weiblichen Hauptrollen in den Blockbusterfilmen des Sommers. Angeblich hat sogar der Chef von Warner vor nicht allzu langer Zeit entschieden, keine Filme mehr mit Frauen in den Hauptrollen zu produzieren. Die machen eben kein Geld…


Vom vergeistigten Feuilletonjournalismus nun zu den harten Themen des Lebens: Filmpiraterie. Ein recht wirkungsvoller Clip der britischen Sitcom The IT Crowd lässt uns allen die Lust am Filmklau vergehen:

[youtube=http://de.youtube.com/watch?v=MTbX1aMajow]

Iron Man (USA 2008)

Wer meint, E-Gitarren seien in den spießigen Comicverfilmungen unserer Zeit sträflich unterrepräsentiert, sollte sich Jon Favreaus Iron Man ansehen. Während sein Spinnenkumpan zuweilen im melodramatischen Emogesülz unterzugehen droht, ist Tony Starks Superheldendasein purer Rock’n’Roll. Stände ihm nicht seine Rüstung zur Verfügung, würde Stark seine jeweiligen megalomanischen Gegner wohl einfach unter den Tisch trinken. Eine Revolution des Genres ist Iron Man deswegen noch lange nicht. Spätestens nach ein halben Stunde ist der mitdenkende Zuschauer in der Lage, den Plot der nächsten 90 Minuten herbeizubeten, trotz allem erfüllt der Film seine wichtigste Aufgabe bestens: Er unterhält. Wie könnte er auch scheitern mit einer Figur wie Tony Stark (Robert Downey Jr.) im Spotlight? Ein genialer Erfinder, ein Milliardär, ein exzentrischer Playboy, ein Waffenhändler. Dieser Lord of War des Marvel-Universums ist gerade dabei, einen Deal mit den US-Streitkräften abzuschließen, als er in Afghanistan von Terroristen entführt wird.

Am Leben gehalten von einem Magneten in seiner Brust, wird er in der Gefangenschaft damit beauftragt, eine seiner tödlichen Waffen zu bauen. Stattdessen beginnt Stark mit der Konstruktion einer eisernen Hightech-Rüstung, die sein Ticket in die Freiheit wird. Angetan von seiner Erfindung und angewidert vom eigenen Status als Händler des Todes, distanziert er sich von der Rüstungsindustrie und wird zum Iron Man. Doch wer war der Drahtzieher seiner Entführung? Das Skript durchläuft einige altbekannte Stufen der Superheldenentwicklung, von der Entdeckung der eigenen Verantwortung nach einem Schlüsselerlebnis, über das Austesten der eigenen Kräfte zu Lasten der Innenarchitektur, inklusive einiger Slapstickelemente, bis hin zur finalen Konfrontation mit dem übermächtigen Bösewicht.

Dass Iron Man trotz seiner Vorhersehbarkeit nicht langweilt, geht zurück auf die komischen Momente, in denen der Film seinen Helden an den gefährlichen Stellen potenzieller heroischer Überhöhung auf den Boden der Tatsachen zurückholt. Gerade der Entwicklungsprozess des charakteristischen Anzugs, der von Favreau ausführlich mit komödiantischen Effekten gezeigt wird, sorgt mit seinem höchst amüsanten Trial-and-Error-Format dafür, dass Stark nicht zum gewöhnlichen Superman mutiert. Nun wissen wir auch: Bei einem Test der Schubkraft gleich mit 10% anzufangen, ist eine schlechte Idee.

Eine Actionkomödie ist Iron Man ihrem Wesen nach, welche die Klippen der dem Genre eigenen melodramatischen Momente umschifft und sich zurecht ganz auf das Charisma seines Hauptdarstellers verlässt. Der Film steht und fällt mit Robert Downey Jr., der als Alleinunterhalter seinen Tony Stark zum interessantesten und witzigsten Superhelden-Alter Ego seit Hellboy aufbaut. Unser Zuschauerwissen über seine vergangenen Drogeneskapaden steht dabei in einer unabdingbaren Wechselwirkung mit seiner Darbietung. Man könnte meinen, Downey rekreiere in Iron Man seine eigene Wiedergeburt nach dem Absturz. Mit vergleichbarer Spielfreude glänzt der Rest der hochkarätigen Besetzung: Terrence Howard als Militärkumpel Jim Rhodes, Gwyneth Paltrow als Assistentin Pepper Potts und der kaum wieder zu erkennende Jeff Bridges als zwielichtiger Geschäftspartner Obadiah Stane.

Favreaus Ansatz, auf jeden Pathos zu verzichten und das dramatische Geschehen nicht allzu ernst zu nehmen, resultiert in einem bewusst flachen Actionabenteuer. Gerade das ist der Grund, warum Iron Man einige seiner Konkurrenten hinter sich lässt, schließlich möchte der Film gar nicht mehr sein als Popcornkino mit ein paar eingeflochtenen zeitgeschichtlichen Referenzen. Das für einen Blockbuster ungewöhnliche Schauspielerpersonal, der häufig am Set improvisierte Wortwitz und die weitgehend straffe Erzählweise sorgen dafür, dass Iron Man trotz gigantischer Logiklöcher und der nicht gerade einfallsreichen Geschichte alle im voraus gegebenen Versprechen einlöst. Mehr noch: Er weckt tatsächlich den ehrlichen Wunsch nach einer Fortsetzung.

[Eine Anmerkung am Rande: Ich empfehle jedem Zuschauer, bis nach dem Abspann des Films im Kinosaal zu verweilen.]


Zur Einstimmung der deutsche Trailer:

[youtube=http://www.youtube.com/v/dKKPnuoetFQ&hl=de]

Iron Man Trailer

Diese Comicverfilmung sieht ausnahmsweise recht vielversprechend aus. Den Iron Man alias Tony Stark gibt der in bester Komödiantenlaune aufspielende Oscar-nominierte Robert Downey Jr. Das Casting bietet außerdem noch die Oscarpreisträgerin Gwyneth Paltrow und die Oscar-nominierten Jeff Bridges, Terrence Howard und Samuel L. Jackson. Wenn das mal nicht der Besetzung von The Dark Knight Konkurrenz macht! Regie führt Jon Favreau.

Iron Man startet am 1. Mai in den deutschen Kinos.

[youtube=http://de.youtube.com/watch?v=yZp2qpZtfbo]