Kino der Expositionen – The Dark Knight Rises (USA/GB 2012)

The Dark Knight Rises PosterFür manche dürfte es eine Befreiung sein, viele aber sehen mit dem Kinostart von The Dark Knight Rises das Ende einer Ära kommen, die die Betrachtung von Blockbustern und Comicverfilmungen verändert hat. In Ansätzen seit 2005 (Batman Begins), mit großen Schritten seit 2008 (The Dark Knight), hat der Batman-Reboot sich vom Stigma der sinnentleerten Wiederholung ebenso freigemacht, wie von den nerdigen Exzentritäten, die dem Genre normalerweise die Anerkennung der Kritiker verwehren. Der Siegeszug des verkleideten Vigilanten im Mainstream dürfte mit “The Dark Knight Rises” seinen Höhepunkt feiern, insbesondere wenn im Winter die Oscar-Saison ins Rollen kommt. Nach den Entscheidungen der vergangenen Jahre (The Artist, The King’s Speech, The Hurt Locker, Slumdog Millionaire) wäre es vielleicht haarsträubend, nicht aber verwunderlich, dass die Academy eine große Abschiedsfeier für die Warner-Trilogie bereithält. Dann würde viel goldenes Konfetti die gegenseitigen Schulterklopfer umspielen, ob der Einsicht, dass Hollywood noch zu großem Qualitätskino fähig ist. Einmal unabhängig von dem Reflex, sich bei dieser Vorstellung einen quicklebendigen Francois Truffaut herbei zu wünschen, ist es wohl unbestreitbar, dass die jüngeren Batman- und andere Filme des Regisseurs die Vorstellung von anspruchsvollem Blockbusterkino in den letzten Jahren mehr geprägt haben und prägen werden als jedes Konkurrenzprodukt. Da kann der Dunkle Ritter noch so stümperhaft durch sein nur scheinbar ambitioniertes Drehbuch torkeln. Das tut er in The Dark Knight Rises nämlich, als hätte er beim Anblick des Einspielergebnisses von “Inception” Augenlicht und Hirntätigkeit eingebüßt.

Nun also das große Finale. Ganz Gotham steht auf dem Spiel, weil ein affektiert daherredender Bodybuilder die Stadt durch eine Weapon of Mass Destruction in Schach hält und Bruce Wayne/Batman in den letzten Jahren sein Fitness-Training hat schleifen lassen. Als Pfeffer in der hyperrealistischen Suppe fungieren die Verweise auf #OccupyWallStreet, eine Bewegung, die hier auf wundersame Weise mit der französischen Revolution, der Pariser Commune und dem Stalinismus der 30er Jahre verschmilzt. Bedauerlicherweise fehlt der Mut, diese belustigende politische Synthese bis zum Ende durchzuziehen. Das, was gewiefte Kritiker als Subtext bezeichnen, bleibt nichtsdestotrotz der einzige Reiz dieser Comic-Verfilmung, die in Überlänge versucht, ihre Herkunft zu verleugnen. Entschlackt von den halbgaren, zeitgeschichtlichen Parallelen sticht ein Wort-für-Wort verfilmtes Drehbuch hervor, das seinen Zuschauern nichts zutraut und jeden Sachverhalt in meist dreifacher Ausführung aus dem teils verdeckten Mund teils talentierter Darsteller flutschen lässt.

Nun also das große Finale. Das Prestige der neuen Batman-Reihe steht zu keinem Zeitpunkt auf dem Spiel. Dafür wurden in den letzten Jahren zu viele weniger erfolgreiche Superheldenfilme gedreht, die augenfälliger hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben. “The Dark Knight Rises” ist trotzdem eine der schlechtesten unter den Comic-Verfilmungen der letzten Jahre. Das Spektakel, wenn man die schwerfälligen Boxkämpfe so nennen will, wird mit der spätestens seit “Inception” erwartbaren Konfusion und dem fehlenden Gespür für die Wahrnehmung des Zuschauers inszeniert. Überhaupt: der Zuschauer, das unbekannte Wesen. Das scheint der Leitspruch dieses Werks, das dem Beobachter alles erleichtern will und ihn mit erdrückender Langeweile alles schwerer macht. 164 Minuten lang wird das Offensichtliche geheiligt. Dabei scheint sich jede Sekunde zu fein, um mit voller Inbrunst für ihren Glauben einzustehen. Ein Star-Ensemble, aus dem einzig Anne Hathaways Catwoman heraussticht (wenn sie nicht Catwoman ist), kaschiert die handwerklichen Mängel, unfreiwillig komischen Metaphern und klimaktischen Zusammenbrüche in Sachen Figurenpsychologie, während das Donnergewölk von einem Score eine epische Bedeutsamkeit vorgaukelt. Für eben diese findet The Dark Knight Rises jedoch keine visuelle Ausdrucksform, was in diesem Ausmaß selbst “The Dark Knight” nicht anzulasten war.

Vermögen die inszenatorischen Mängel der Blockbuster Selling Points nach “The Dark Knight” und “Inception” nicht mehr zu überraschen, versetzt die radikale Abkehr von der visuellen Geschichtenerzählung, die im Abschluss der neuen – sicher bald alten – Batman-Trilogie vollzogen wird, in beträchtliches Erstaunen. Der unaufhaltsame Absturz des Dunklen Ritters mag, pessimistisch betrachtet, als stellvertretend für ein Blockbuster-Kino gelten, dem jegliches Vertrauen in seine Konsumenten ausgetrieben wurde. Enervierend an The Dark Knight Rises ist, das er sich, anders als die üblichen Sündenböcke sommerlichen Eskapismus, hinter einer aufgeblasenen Seriosität versteckt.


Einen Überblick der Kritiken zu “The Dark Knight Rises” gibt es bei Film-Zeit.de.

Diary of the Dave #19 – Kinshasa Symphony

Kinshasa Symphony

Zwischen Kiev und Kinshasa liegen mehrere Tausend Kilometer. Doch in Graz trennt sie gerade mal vier Busstationen, und zwar von einem der unglaublich hässlichsten Uni-Campi… Campata… Campen … Campusse… ach egal (auf jeden Fall eine augenkrebserregende Beleidigung der Architektur) zu einem hübschen kleinen Programmkino. Eigentlich das einzige Programmkino Grazens, wenn man vom Pornokino am Bahnhof mal absieht.

Es war den ganzen Tag furchtbar heiß, aber um 6 Uhr hat‘s schließlich geregnet. Da ich vorausschauend plane, war ich etwa eine Stunde vor Filmbeginn beim Rechbauerkino. Ich verlangte ermäßigten Kinoeintritt, was mir die Ticketverkäuferin aber nicht bieten konnte: der Eintritt war nämlich frei! Heute, am Donnerstag den 16. Juni 2011, feierte Kinshasa Symphony seine absolut glorreiche und grandiose Premiere… na ja zumindest seine Graz-Premiere (dass der Film vor drei Monaten etwa schon in Thüringen lief, soll uns hier nicht kümmern… oder waren‘s 12 Monate?). „Kinshasa Symphony“ wurde im Rahmen der Grazer Afrikatage gezeigt, die seit etlichen Jahren stattfinden und (auch?) dieses Jahr von der Kommunistischen Partei Österreichs unterstützt werden. Nun also… eigentlich stieß ich zu diesem Ereignis hinzu, weil es als Premiere mit anschließendem Buffet angepriesen wurde. Also Eintritt frei! Dafür ein 0.33-Gösser-Spezial für 2,40 €! Während ich mein Bier trank und in der lokalen Filmzeitschrift blätterte („Skip“), trudelten zahlreiche Mitglieder der afrikanischen Community Grazens ein. Schließlich ging es in den liebevoll „Kinosaal“ genannten einzigen Kinosaal des Rechbauer rein. Bevor es anfing, gab der Goth-Kinoangestellte seinen Senf zum Festival. Dann spielte Pascal aus einem afrikanischen Land, das nicht die DR Kongo ist, ein Lied auf der Gitarre und sang dazu. Er legte dabei einen großen Sinn für Meta-Humor an den Tag. Die etwas betagteren „Ich-fühl-mich-so-hip-weil-ich-im-Programmkino-einen-Film-über-Afrika-schaue“-Hippies klatschten nach 20 Sekunden mit, waren dann aber verwirrt, als Pascal abrupt mitten im Lied aufhörte… und das auch noch zwei Mal!

Der Projektor wurde angeworfen. Irgendwie lachten die hinteren Reihen (ja! ich sitze gerne vorne im Kino) an merkwürdigen Stellen, etwa bei einer der ernstesten Szenen des Films, die von ihrem akustisch-dramatischen Aufbau durchaus Stille im Kinosaal hätte vertragen können: Wenige Tage vor dem großen Konzert hat das Amateur-Orchester immer noch große Mühe, Ludwig vans Neunte zu spielen. Das etwas holprige Vortragen des (vorletzten?) Satzes bricht immer mehr zusammen, während der Orchesterchef und Dirigent immer verzweifelter reinschaut. Übrigens: Ich meckere ja sehr gerne über Dokus rum! Diese Befriedigung konnte mir „Kinshasa Symphony“ nicht verschaffen. Der Film war sehr einfach und sehr unprätentiös. Die einzigen „künstlerischen“ Momente waren diejenigen, wo sequentiell einzelne Musiker des Orchesters mitten in den Straßen von Kinshasa solo spielten, und in einer Montage dann intradiegetischer in extradiegetischen Ton verwandelt wird, nachdem die Straßengeräusche in fade-off ausgeblendet wurden. Eigentlich: primitiv! Aber äußerst effizient und erfrischender als „Ich-fahr-jetzt-mit-Wackelkamera-durch-die-Straßen-von-Paris-weil-das-Leute-die-eine-Doku-über-Nico-schauen-bestimmt-ganz-toll-finden“-Experimente.

Ja: Beethoven ist purer Punk-Rock! Er gab Piloten, Mechanikern, Hobby-Priestern, alleinerziehenden Müttern und Straßenkids ohne Perspektive die Möglichkeit, sich Gehör zu schaffen! Und anderthalb Stunden lang begleiten wir verschiedene Musiker des Sinfonieorchesters bei den Proben, aber auch bei ihren Alltagssorgen (Wohnungssuche, Krankheit, Stress bei der Arbeit, Konflikte mit Mitbewohnern etc.). „Kinshasa Symphony“ widmet dem „einzigen Sinfonieorchester auf der Welt, das nur aus schwarzen Musikern besteht“, ein würdiges Denkmal!

Die Filmvorstellung war vorbei und es ging ins „Kinostüble“, um afrikanische Spezialitäten zu verkosten: frittierte Teigbällchen, frittierte Bananenringe, kamerunisches Bier. Aber: vor allem auch Blätterteigplätzchen mit Fleischfüllung und Fleischbällchen, bei dem der Macher/die Macherin seine/ihre Vorliebe für Knoblauch absolut freien Lauf ließ. Morgen wieder eine ganze Sitzreihe nur für mich! B. M. wird schon einen anderen Platz finden.

Fassen wir zusammen: Grazer Baustellen, das Design des Grazer Liniennetzes, die Architektur des Campus(es), die Mensapreise (anscheinend nicht subventioniert) und die Preise für Brötchen… Scheiße! CSI Miami, was ich gestern auf meinem Hotelfernseher gesehen habe, war hingegen soooo unglaublich beschissen, dass es eigentlich ganz unterhaltsam war. Absolut geil in Graz: der Schlossberg mit der Schlossbergbahn (müsste man auch in Thüringen dringend einführen), die Gesamtsituation des Stadtflairs im allgemeinen und des Rechbauerkinos im speziellen. Wenn doch bloß das „Ami“ wieder ein solches Flair entwickeln würde…

Kontrapunkt: Trash XII

Und weiter geht’s mit meinem „Parental Advisory“-Guide für Cineasten-Eltern. Einmal mehr drei Trash-Filme, von denen nur einer als potenzielles Weihnachtsgeschenk keine Rutenschläge nach sich zieht.

Todesparty (GB/USA 1986)

Von seinen Mitschülern am „April Fool’s Day“ drangsalierter und durch einen blöden Zufall entstellter Außenseiter rächt sich bei fingiertem Klassentreffen. Mordsspaß ist also angesagt auf der „Todesparty“. Die billige Schnellschuss-Produktion, die sich in seinen inhaltlichen Motiven überhaupt nicht an “Freitag, der 13.” orientiert, weist zahlreiche Schwächen auf. Die spartanisch ausgestatteten Sets sehen so gar nicht nach Schule aus, die Stunts (Motorradfahrer legt sich mit gefühlten 5 km/h auf die Fresse) und Splatter-Effekte sind schlecht getrickst, mit der Logik ist es genretypisch auch nicht weit her. Oder warum lässt ein Killer, wenn er will, dass seine Opfer zur Party ins Haus kommen, die Türen verschlossen? Natürlich stiehlt sich das überkonstruierte Drehbuch – April, April! – am Ende mit einem obligatorischen Traum-Twist aus der Affäre, was diesen kruden Baukasten grob zusammengezimmerter Genre-Versatzstücke noch ärgerlicher macht. Die zwei einzigen Highlights sind der amerikanische Originaltitel („Slaughter High“ – YEAH!) und das mutig-schräge Synthie-Thema von Komponist Harry Manfredini, das neben obskuren Verrenkungen im Sport-„Unterricht“ und einem miesen Frau-löst-sich-in-Säure-auf-Effekt zumindest für etwas Belustigung und Stimmung sorgt. Eine unfreiwillig komische, dümmliche Slasher-Gurke, für welche das Team um das uninspirierte Regie-und-Drehbuch-Trio mindestens den ganzen April hindurch nachsitzen müsste.

Bill & Teds verrückte Reise durch die Zeit (USA 1989)

Endlich habe ich diese großartige Trash-Komödie um die konfliktarme Zeitreise zweier dummbrotiger Möchtegern-Rocker mit Lücken beim Geschichts-Wissen auch einmal gesehen. Mit zahlreichen Referenzen auf die Popkultur, einen großartigen 80er Jahre-Rocksoundtrack u. a. mit Vital Signs und Shark Island und einer flotten Inszenierung wird erfolgreich davon abgelenkt, dass man gerade potenzierten Nonsens zu sehen bekommt. Die schauspielerischen Leistungen sind eher mäßig, weswegen sich Keanu Reeves heute für seine Hauptrolle eher schämt. Der anarchische, freche Humor (in welchem anderen Film sieht man Napoleon Eis essen oder euphorisch auf der Wasserrutsche?) und betont mäßige Effekte bei der Zeitreise tragen maßgeblich zur Kurzweiligkeit bei, die dieser sorglose Film nach über 20 Jahren immer noch verbreitet. In diesem Sinne: „Bunt ist die Welt und granatenstark. Volle Kanne, Hoschis!“

Hidden 3D (Italien/Kanada 2011)

Der Titel sollte zur Vermarktungsmaxime dieses Heulers erhoben werden: Verstecken – und zwar ganz tief hinten im Regal. Die hanebüchene Ausgangsidee mit Experimenten einer Psychiaterin, die entdeckt, dass das Gift eines Insekts die Sucht von Patienten körperlich externalisiert, ist albern, steht aber dem Fortgang – Twens steigen in den „Folterkeller“ hinab – in nichts nach. Es regiert in den immerselben grau-braunen Bildern, gelegentlichen 3D-Effekten und den Angriffen hungriger Kinder die Langeweile, wenn nicht die weiblichen Protagonisten mit ihrem Dauergejammer und –geheule an den Nerven des Zuschauers zerren. Immerhin ist dieser grottige Spuk mit arg verschenktem Showdown schon nach 74 Minuten vorbei – die sich dennoch wie zwei Stunden anfühlen. Weiter von mir dazu bei NEGATIV.

Kontrapunkt: Auftakt Exground Filmfest 2011

Am Freitag hat es begonnen und noch bis zum 20. November läuft Deutschlands größtes Independent-Filmfestival zum 24. Mal in Wiesbaden. Ich war am Eröffnungswochenende vor Ort – dieses Mal ohne Jenny und Robert – und möchte hier ergänzend zu meinem Bericht bei Bildflimmern meine Eindrücke der besuchten Langfilme-Revue passieren lassen.

Ein Sommer auf dem Lande [Father, Son & Holy Cow] (D/PL/FI 2011)

Die begnadete Opernsängerin Isabelle stirbt an Krebs. Das wirft ihren Ehemann Bogdan (Zbigniew Zamachowski), einen Konzertpianisten, vollkommen aus der Bahn, der fortan ein einfaches Leben auf dem Bauernhof führt. Als er in der Kuh Klara, die scheinbar durch Mozarts Musik mehr Milch gibt, die Reinkarnation von Isabelle zu erkennen glaubt, sorgt das für absurde Verwicklungen. Beeindruckend an diesem Debütfilm vom polnischstämmigen Regisseur Radek Wegrzyn ist dabei, wie traumwandlerisch sicher er sein Ensemble und seinen technischen Stab zu führen weiß. Ihm gelingt eine warmherzige Tragikomödie mit skurrilen Figuren – getaucht in satte Farben und einen an klassischen Musikstücken reichen Klangteppich. Mal rührt Father, Son & Holy Cow mit unvermittelten Flashbacks aus den letzten Monaten von Isabelle pathosfrei zu Tränen, mal wird ein herzhaftes Lachen provoziert, wenn der ortsansässige Pfarrer an Kuh Klara einen Exorzismus vornimmt. Ein Film, der auf die große Leinwand gehört und dort in Deutschland voraussichtlich ab 02. Februar 2012 auch regulär zu sehen sein wird.

Romeos (D 2011)

Warum dieser Beitrag aus dem Fundus des „Kleinen Fernsehspiels“ vom ZDF indes bei einem – ich betone es noch einmal – Independentfilm-Festival über die Leinwand flimmern darf, erschließt sich mir nicht. Mag dieses zumindest thematisch brisante Drama um die sexuelle Identitätsfindung der Transsexuellen Miriam auf dem Weg zum Mann Lukas ganz passabel gespielt sein: eine wirkliche Bereicherung für den Sex-und-Gender-Diskurs liefert es im Gegensatz zum spröden, aber intensiveren argentinischen Kollegen XXY (2007) nicht. Die oberflächliche, auf schöne halbnackte Körper in Großaufnahme fokussierte Inszenierung versteckt sich hinter dem vorgeschobenen Attribut einer „sensitiven Bebilderung“. Auch das inspirationsfreie Drehbuch, in welchem die amouröse Konfrontation zwischen dem unsicheren Lukas (Rick Okon) und dem machohaften Südländer Fabio (Maximilian Befort) zwischen Freizeitaktivitäten, Parties und Billardkneipe immer wieder aufs Neue wiedergekäut wird, ist auf Dauer ermüdend. Weniger über das komplizierte Innenleben von Protagonist Lukas, der leider nur durch egozentrische Unsympathie negativ auffällt, als vielmehr um die Frage, ob es in Köln tatsächlich nur (zumindest latent) homosexuelle, kettenrauchende Jungmodels mit Toleranzproblemen unter den Heranwachsenden gibt, reflektiert dabei der von zu nahen Einstellungsgrößen alsbald genervte Zuschauer.

Mad Circus – Eine Ballade von Liebe und Tod (ESP/F 2010)

Álex de la Iglesia ist das Enfant Terrible Spaniens auf dem Regiestuhl. Seine Werke wie El dia de la bestia und Perdita Durango sind laut, brutal, trashig, ein bisschen durchgeknallt und gespickt mit absurdem Humor, also schlicht der Inbegriff von „nicht jedermanns Geschmack“. Mad Circus ist ist dabei keine Ausnahme. Die Story reicht zurück bis in die 30er Jahre: Im spanischen Bürgerkrieg wird ein Clown von einer Miliz rekrutiert und richtet ein Massaker an. Nachdem er getötet wurde, will auch sein Sohn Javier (Carlos Areces) – während der Franco-Ära in den 70er Jahren – trauriger Clown werden. Er landet bei einem Zirkus, dessen Belegschaft unter den brutalen Ausrastern vom lustigen Clown Sergio zu leiden hat. Das Duell zwischen den beiden – auch um Sergios Frau Natalie – spitzt sich immer weiter zu und irgendwann ist schlicht Krieg in den Straßen von Madrid. Kontakt mit Diktator Franco, Militärs und amoklaufartige Ballerorgien: Im letzten Drittel wird der Zuschauer Zeuge, wie ein beeindruckend ausgeleuchtetes und fotografiertes, wuchtiges Werk den dramaturgischen Autoimmun-Modus anwirft, bis er in anarchischen Chaos fernab jeder Botschaft versinkt. Der Wahnsinn der beiden entstellten Protagonisten überträgt sich auf den Film, der mal grotesk überspitzt, mal schlicht absurd bis albern die Grenzen der Stilsicherheit auslotet.