Grüne, maskierte oder betrunkene Superhelden, verpeilte Piraten und die Filme eines Michael Bay, welcher bekanntlich als “Regisseur” bezeichnet wird, zieren zumeist das sommerliche Kinoerlebnis. Dabei vermitteln weder diese Blockbuster noch die wiederbelebten TV-Serien, die sich in den hinteren Rängen der Box Office einfinden, ein Gefühl für die Freuden der sonnigen Jahreszeit.
Die Dichte actionlastiger Abenteuergeschichten, mit deren hanebüchenen Drehbüchern man nicht einmal einen wackligen Stuhl vernünftig stützen könnte, spricht vielmehr dafür, dass die Studiobosse den Zuschauern in den heißen Monaten des Jahres im wesentlichen die Intelligenz absprechen. Gebratene Hirnzellen nehmen C.G.I.-Yetis und Ufos eben, ohne sich zu beschweren, in Kauf.
Freilich erfordert der Genuss eines Musicals ebenso wenig geistige Aufmerksamkeit, sofern es sich nicht um einen potenziellen Oscarbewerber handelt. Andererseits starten diese ja sowieso nur im Winter, was sie aus der Diskussion ausschließt, aber zurück zum eigentlichen Thema: Mamma Mia! ist weder Rheingold noch Götterdämmerung, aber wer braucht die große Kunst, wenn er das große Vergnügen sein eigen nennen darf? Der Verzicht fällt bei 30 Grad im Schatten jedenfalls leicht, denn Mamma Mia! ist für den Sommer geschaffen.
Das auf den Songs der schwedischen Popgiganten ABBA basierende Musical vereinigt in sich die Quintessenz dessen, was so toll am Sommer ist. Jeder Song ist eine Variation des unersetzbaren Gefühls, das einen beschleicht, wenn man aus dem Winterschlaf aufwacht, aus dem Fenster schaut und den ersten strahlenden blauen Himmel seit Wochen sieht; man nach acht Stunden im Büro in die warme Sonne hinaus tritt, wissend, dass nun das Wochenende beginnt und die Welt einem für zwei Tage zu Füßen liegen wird.
Abgesehen von der Tatsache, dass hier Lieder die Hauptrolle spielen, die man einfach kennt, egal ob man ein Stammgast bei Siebziger Jahre-Parties ist oder nicht, ist der Ort der Handlung – eine kleine griechische Insel – der Ferienatmosphäre nicht gerade abträglich. In nahezu jeder Szene entfacht das blau leuchtende Mittelmeer seinen verführerischen Sog, während im Vordergrund Meryl Streep, Julie Walters und Kollegen ihre aufmunternden Gassenhauer trällern. Und das mit einer Spielfreude und Agilität, die wohl nur bei wirklich guten Schauspielern nicht ins Lächerliche abgleitet.
Wer kann schon bei klarem Verstande behaupten, Meryl Streep sei eine schlechte Schauspielerin? Mamma Mia! könnte man auch als die Meryl Streep-Show bezeichnen, denn wieder einmal liefert ein Film den Beweis, dass Musicals für die Leinwand besser auf eben dort beheimatete Stars zurückgreifen sollten. Zwar ist Phyllida Lloyds Verfilmung mit den vielen Massenszenen und choreografierten Tänzen ganz der eigenen Herkunft von der Bühne verpflichtet und im Vergleich zu Sweeney Todd oder Across the Universe recht „klassisch“. So steif und verkitscht wie das Phantom der Oper gerät Mamma Mia! allerdings zu keiner Sekunde.
Das Ensemble bringt schließlich genügend schauspielerische Lebhaftigkeit ins Geschehen, um die bewusst banale Geschichte einer Braut, die zum Missfallen ihrer Mutter drei Männer aus deren Vergangenheit zur ihrer Hochzeit einlädt, zum Augen- und Ohrenschmaus werden zu lassen.
Während ihre männlichen Co-Stars, also die drei potenziellen Väter der Braut (Pierce Brosnan, Stellan Skarsgard (!) und Colin Firth), kaum gesanglich gefordert den Esprit gut gelaunter Urlauber versprühen und sich selbst beim Abspann aus Freude an der Sache für nichts zu schade sind, schmeißt die Streep sich in die Rolle der Donna, als würde der Film sich um die Oscars und nicht nur die Zuschauer bemühen.
Im Gegensatz zu ihrer jungen Gesangspartnerin Amanda Seyfried, die ihre Tochter spielt, weiß Streep mit dem fliegenden Wechsel zwischen dramatischem Ernst und charmanter Selbstironie zu überzeugen. Dabei vermittelt sie stets den Eindruck, als würde das Wissen um den geringen Gehalt dieses Filmes sie nur noch weiter anspornen, alle Zurückhaltung über Bord zu werfen und einfach Spaß zu haben. Einen ähnlichen Habitus merkt man auch Julie Walters und Christine Baranski an, die sich als Donnas beste Freundinnen die Ehre geben.
Diese heitere, ganz und gar nicht alte Garde läuft in Mamma Mia! den seelenlosen Modelkörpern der Jugend problemlos den Rang ab. Befindet sich deren Niveau noch deutlich über High School Musical-Verhältnissen, legt die Verteilung der Gesangspartien, welche abgesehen von der weitgehend überzeugenden Seyfried die Jungschauspieler arg vernachlässigt, doch Zeugnis ab über die wahren Könner im Cast. Gesangliche Perfektion ist in Mamma Mia! zum Glück nicht alles.
Stattdessen erntet der Film verdientermaßen durch seine heiteren Comedy-Einlagen, seine zu Hochform anlaufende Hauptdarstellerin und durch die Tatsache, dass er seinem sommerlichen Starttermin vollkommen gerecht wird, uneingeschränkt Beifall.