12 Monate ohne Kopf – Die Top 15 des Jahres 2012

Jedes Jahr bekomme ich weniger Lust auf die Erstellung einer Top-Liste, aber diese Luxus-Meckerei findet sich freilich auch an anderen Orten. Obwohl so eine Liste schon mit der nächsten Sichtung überholt sein könnte (und das wird sie garantiert bald), bildet das Ranking immerhin einen schönen Anlass, um zurückzublicken. Das werde ich wie immer in verschiedenen Kategorien tun.

Auch dieses Jahr lag mein Fokus eher auf dem Nachholen, als dem Verfolgen aktueller Kinostarts. Meine Top 7 2012 mit deutschen Kino- und DVD-Starts findet sich bei moviepilot. Die folgende exklusiv für diesen auch im Jahr 2012 etwas vor sich hin röchelnden Blog zusammengestellte Top 15 basiert auf einer willkürlichen Mischung deutscher, amerikanischer  und Hongkonger Kino- und DVD-Starts des Jahres. Warum? Weil ich es kann. Viel Spaß damit!

Bonus Features:

Dank der Arbeit bei moviepilot bin ich nach all den Jahren dem Tatort-Wahn erlegen. Ergebnis der sonntäglichen Kritiken ist dieses Ranking aller Tatort- und Polizeiruf 110-Episoden des Jahres. Einen Text über die Enttäuschungen 2012 habe ich dieses Jahr nicht geschrieben. Stattdessen gibt’s eine Lobpreisung von Prometheus im Mantel einer Ridley Scott-Hymne.

7 Serien, die Jahre retten:

The Wire Staffel 1-5
Veep Staffel 1
Battlestar Galactica Staffel 1-4
Girls Staffel 1
Downton Abbey Staffel 1
Arrested Development Staffel 1-3 (dritter Durchlauf)
Louie Staffel 1

7 Lieblingsszenen 2012:

Ma-Ma versinkt ein letztes Mal im Rausch in Dredd.
Das Foto-Shooting auf dem Friedhof in Holy Motors.
Pat erklärt seinen Eltern in Silver Linings Playbook Hemingway.
Freddie Quell rast mit dem Motorrad davon und verschwindet in The Master am Horizont.
Looper fasst ein Leben in einer Sequenz zusammen.
Eugene Domingo führt in The Woman in the Septic Tank ihre verschiedenen Schauspielstile vor (und macht damit Derek Zoolander Konkurrenz).
Hall Baltimore unternimmt einen Spaziergang mit V durch den Wald in Twixt.

Die 7 besten Filme, die ich 2012 zum ersten Mal gesehen habe:

Große Freiheit Nr. 7
Westfront 1918
Das Ende von St. Petersburg
Maldone
The Big Trail
Slumming
Eight Diagram Pole Fighter

Meine Wiederentdeckung des Jahres:

Jackie Chan – damals.

Meine Enttäuschung des Jahres:

Jackie Chan – heute.

5 Trailer des Jahres:

The Master:
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=fJ1O1vb9AUU[/youtube]
The Lords of Salem:
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=JEV-I_JWwqU[/youtube]
Zero Dark Thirty:
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=K9oFsm5R-ow&feature=player_embedded#![/youtube]
Saving General Yang (a.k.a. The Return of Ronny Yu, was Grund genug ist, diesen Trailer hier aufzuführen):
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=2xPvdmrIcqk[/youtube]
Pacific Rim:
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=2vKz7WnU83E&feature=player_embedded[/youtube]


Meine persönliche Top 15 des Jahres 2012:

Platz 15: 21 Jump Street
21 Jump Street
Platz 14: Life Without Principle

Platz 13: Jack Reacher
Jack Reacher
Platz 12: Prometheus
Prometheus
Platz 11: Motorway
Motorway
Platz 10: The Raid
The Raid
Platz 9: Looper
Looper
Platz 8: Take Shelter
Take Shelter
Platz 7: The Flying Swords of Dragon Gate
The Flying Swords of Dragon Gate
Platz 6: In Another Country
In Another Country
Platz 5: Barbara
Barbara
Platz 4: War Horse

Platz 3: Life of Pi
Life of Pi
Platz 2: Hugo
Hugo
Platz 1: Haywire
Haywire

Schlamm und Zufall – Prometheus (USA 2012)

Vor 7 Jahren war es Königreich der Himmel, welcher sich nicht entscheiden konnte. Immer wieder wurden Heldentum und Heldenverehrung als protofaschistische Sackgassen deklariert. Immer wieder endete alles in großangelegten Feiern von Heldenmut und Führerpersönlichkeiten. So stellt er sich mehr als einmal selbst das Bein und landete schlussendlich vor der Wand. Prometheus kann sich anscheinend ebenfalls nicht entscheiden. Doch da wo es Königreich der Himmel zum Verhängnis wird, öffnet sich hier der Film und begeht erst gar nicht den Versuch, den Zuschauer belehren zu wollen. In Zeiten, in denen sich Busse mit Botschaften über die Existenz und Nichtexistenz Gottes verfolgen, sucht Prometheus nicht die Konfrontation, sondern taumelt unentschlossen und suchend zwischen den Positionen hin und her.

Damit ist die Katze aus dem Sack. Wenn sich das Raumschiff Prometheus in die Weiten des Weltraums begibt, befindet es sich auf der Suche nach dem Ursprung der Menschheit und deren Schöpfer. Die Weyland Corporation („die Firma“) schickt es los, um Archäologin Elizabeth Shaw (Noomi Rapace) auf der Suche nach Schöpferwesen zu unterstützen, die sie auf Sternenkarten untergegangener Kulturen abgebildet gefunden hat. Doch anders als Shaw, die Gott und Sinn sucht, will der uralte Vorstand der Firma, Peter Weyland (Guy Pearce), einfach nur den Tod überwinden. Ridley Scott ist dabei wenig an der Vorgeschichte von Alien interessiert oder an der Richtigstellung der Uminterpretationen dieses unheimlichen Wesens aus dem All in den folgenden Teilen. Er begibt sich stattdessen auf einen holprigen Parallelpfad zu 2001 – Odyssee im Weltall, der Klaustrophobie und Sex (Alien) beziehungsweise ausufernde Ästhetik und Psychedelik (2001) gegen Epik, Thrill und Abenteuer eintauscht. Doch da wo Kubrick die Lücke zwischen Tier, Mensch und Maschine mit einem schwarzen Quader füllt, da findet Scott den Ursprung des Lebens in schwarzem Schlamm. Schwarzem Schlamm, der in außerirdischen Tempeln aus Urnen tropft und wie konzentrierte Evolution wirkt. Er zerstört brutal und ist der Tod. Er dringt in einen ein, frisst einen auf und verändert die Zusammensetzung jedes Lebewesens bis am Ende etwas komplett anderes ausgespuckt wird. Er erschafft Neues, Erschreckendes und taucht die Furcht vor unaufhaltsamer Veränderung/Entwicklung in totale Düsternis.

Vor allem ist dieser Schlamm aber extrem eigenwillig. Die Crew der Prometheus ist auf der Suche nach Schöpfern mit einem Plan. Sie wollen Fragen stellen. Warum sind wir hier? Auf dem Planeten angekommen, den die Karte als Ziel angibt, entdecken sie einen Tempel, der sich in einer kaninchenbauartigen Anlage befindet. Sie finden aber keine höheren Wesen, zumindest keine lebenden. In den Gängen liegen höchstens Leichen. Und Hologramme der Vergangenheit zeigen der Mannschaft wie die außerirdischen Schöpfer vor etwas davonlaufen. Zunehmend soll ihnen klar werden, dass niemand den Schlamm kontrollieren kann. Wie die Schöpfer muss die Crew bald vor Wesen davonlaufen, die aus der Tiefe des Schlamms hervorkommen. Prometheus lässt einem alle Vorstellung von Planung wie Sand zwischen den Händen zerrinnen. Jeder ist dem Leben ausgesetzt und niemand kann es kontrollieren. Alles prallt aufeinander und nur der Stärkste überlebt. Auf dem Planeten findet sich kein Gott, sondern nur kondensierte, brutale Evolution.

Aber Gott ist eh nicht von dieser Welt, weshalb Elizabeth Shaw und der Zuschauer keine Antworten bekommen, sondern nur Fragen. Was größenteils aber nicht am Konzept zu liegen scheint, sondern an der Unentschlossenheit von Drehbuch und Regie. Wie so oft in den letzten Jahren gibt Scott den epochalen Geschichtenerzähler, aber verhaspelt sich immer wieder in seinen Ansprüchen und seiner, wie es manchmal scheint, Angst auf etwas festgenagelt zu werden. Teilweise wirkt das Drehbuch von John Spaihts und Damon Lindelof auch extrem hölzern, wenn in schaurig offensichtlichen Dialogen* der Zuschauer für religiöse Themen sensibilisiert werden soll. Aber sobald Ridley Scott und Kameramann Dariusz Wolski die Bilder sprechen lassen und einfach die Handlung vorantreiben, dann ist Prometheus nicht nur interessant, sondern auch ein mitreißender Sci-Fi-Thriller, der das Beantworten aller aufgeworfenen Fragen aus der Hand verliert/gibt.

Gott und Evolution sind aber nicht die einzigen, die Schrecken und Probleme verbreiten werden. Viel ruhiger, subtiler und effektiver ist da die Figur des Androiden David (Michael Fassbender). Im Gegensatz zu Ash wissen diesmal alle, dass er eine Maschine ist und behandeln ihn dementsprechend. Er möchte sich den Menschen anpassen, erntet dafür aber nur Hohn und Verachtung. Er wird zunehmend grimmiger unter seiner ausdruckslosen Fassade. Jedenfalls lassen das seine Handlungen und Anspielungen vermuten, da nie mit Sicherheit geklärt wird, was in ihm vorgeht. Wie HAL 9000 deutet er an, dass es kein Selbstbewusstsein ohne Gefühle geben kann und dass es aber umso verstörender wird, wenn eine scheinbar gefühllose Maschine einem mit Sarkasmus, Verbitterung und Verschlagenheit begegnet. Er ist es, der zwischen all dem wirren Gore, fahrigen Anspruch und unausgegorenen Suspense den bedrohlichen Ruhepol bildet. Er steht vielleicht nicht im Zentrum der Geschichte, aber innerhalb der ganzen genre-inhärenten Konflikte zwischen den Teammitgliedern der Prometheus und dem ganzen metaphysischen Klimbim entwickelt er eine sachte Gravitation, welche die losen Enden zusammenhält.

*Schrecklich offensichtliche Dialoge sind natürlich auch oft einfach nur realistische Dialoge.