Über weite Strecken kommt Red Cliff II wie ein Selbstläufer von einem Film daher. Routiniert navigiert Action-Auteur John Woo seinen Historienfilm mal an das Schlachten-, mal an das komödiantische Ufer, stets auf die Massentauglichkeit bedacht. Souverän, fast schon im Autopilot, werden die strategischen Vorbereitungen der Schlacht heruntergekurbelt, die Finten und Tricks, welche Zhuge Liang (Takeshi Kaneshiro) und Zhou Yu (Tony Leung Chiu-Wai) sich ausdenken, um den übermächtigen Kanzler Cao Cao (Zhang Fengyi) in der zu erwartenden Auseinandersetzung auf See und Land zu besiegen. Woo hat offensichtlich einiges in Hollywood gelernt, was die Konstruktion glaubwürdiger Drehbücher angeht, auch wenn man das zuvor weder “Paycheck”, noch “Mission: Impossible II” oder gar “Face/Off” anmerken konnte. Es ist daher schwer vorstellbar, dass die “Red Cliff”-Filme und insbesondere der zweite Teil irgendjemanden nicht unterhalten. Das filmische Äquivalent zu einem süßen Hundebaby sozusagen, mit etwas mehr Blut und Gedärm.
So perfekt ist das Blockbustergerüst zusammengebaut, die Figuren durchgängig hochkarätig besetzt, der Kriegsstoff zu einem unterhaltsamen Abenteuerfilm abgekocht, dass es niemanden vorzuwerfen wäre, wenn das Geschehen auf der Leinwand nach Sichtung dem Vergessen anheim fällt. Das klingt natürlich ziemlich undankbar. Endlich wird für glänzende Unterhaltung gesorgt – fehlerlos inszeniert und noch dazu sympathisch – und trotzdem wird noch ein weit hergeholtes Haar in der Suppe gefunden. Hat John Woo das verdient? Wahrscheinlich nicht, denn es gibt wesentlich schlimmere Machwerke aus aller Herren Länder, welche ebenso nur auf Profit aus sind, diesen aber bewerkstelligen, in dem sie ihre eigenen Kunden beleidigen. Red Cliff kann sogar als Musterbeispiel eines Kinozweiteilers gelten, welcher zunächst Appetit auf mehr macht und eine Steigerung in der Fortsetzung erfährt, ohne sich zu wiederholen oder das homogene Gesamtbild zu stören.
Bei all den positiven Eigenschaften ist aber nicht zu übersehen, dass “Red Cliff II” vom Schein regiert wird. Es ist der Schein des großen Dramas, der im ersten Teil noch verbergen konnte, dass Woo überhaupt nicht gewillt ist, mehr als ein vierstündiges Strategiespiel mit anschließender Schlacht abzuliefern. Mal abgesehen vom Drang Cao Caos, das Land durch den Kriegszug zu vereinen, geht es diesem primär um die Eroberung einer Frau. Zhou Yus, um genau zu sein. Cao Cao ist besessen von dieser wandelnden Vase (fragwürdig blass und zerbrechlich gespielt von Lin Chi-Ling), weshalb die Andeutungen im ersten Teil diesen charismatischen Feldherrn nicht nur zu einem offenbar vielschichtigen Antagonisten werden ließen, sondern auch den Glauben schürten, dass hier in Sachen Charakterisierung mehr lauert, als in einem Woo-Film generell zu erwarten ist. Da Woo sich im Nachfolger auf Oberflächlichkeit beschränkt und dies sich auf alle Figuren auswirkt, kommt der “Red Cliff”-Zweiteiler in Sachen psychologischer Tiefe nicht einmal an Peter Chans The Warlords heran. Diesem etwas pathetischeren Film, sowie seinen Protagonisten war zumindest anzumerken gewesen, dass das Phänomen Krieg von mehr als nur Diskussionen vor der Landkarte und anschließenden heldenhaften Opfern ausgemacht wird.
Gibt das Drehbuch nicht genug her, müssen die Schauspieler diese Schwäche wettmachen und an diesem Punkt zeichnen sich besonders auffällig die Vor- und Nachzüge des Films ab. Tony Leung ist normalerweise ein verlässlicher Mime, doch entweder ist Ang Lees “Gefahr und Begierde” daran Schuld oder sein kurzfristiges Einspringen bei “Red Cliff” oder er hatte einfach keinen Bock; sein Auftritt ist – wenn auch kein Totalausfall – gelangweilt, müde und v.a. enttäuschend. Takeshi Kaneshiro guckt in erster Linie verschmitzt und schlägt sich besser als sein platonischer Kompagnon. Der Männerfreundschaft der beiden Protagonisten geht jegliches Konfliktpotenzial ab. Ihre Figuren sind, würden sie nicht von den beiden Stars gespielt werden, vollkommen uninteressant. Dabei zählten männliche Helden bisher immer zu den wenigen soliden Pluspunkten, welche Woo bei der Schauspielerführung für sich verbuchen konnte. Stattdessen wirken Woos Männer hier nur noch wie leere Hülsen. Ihr Dasein wurde vollständig der hyperemotionalen Tragik beraubt, welche das Schicksal der Armani-Ritter seiner Heroic Bloodshed-Filme abseits der Action so ansprechend hatte erscheinen lassen. Angesichts von “Red Cliff II” ist es schwer zu glauben, wozu der Mann noch in “Bullet in the Head” oder “A Better Tomorrow” im Stande gewesen war. Kein Wunder also, dass Zhang Fengyi wie schon im Vorgänger durch ein paar minimale Anstrengungen seine Kollegen in den Schatten stellt, ohne der Versuchung zu erliegen, einen stereotypen Bösewicht vom Stapel zu lassen. An der weiblichen Front schlägt sich hingegen die noch immer bezaubernde Zhao Wei als Spionin im gegnerischen Lager wacker, die zumindest eine Lanze für unabhängige Frauenfiguren in Blockbuster-Schlachtenepen bricht.
Doch “Epos” ist eigentlich schon zuviel des Guten, denn auch wenn Woo unterhalten kann und seine nicht gerade zu Begeisterungsausbrüchen anhaltendenen Actionszenen Laune machen, kann der Film den Eindruck nicht abschütteln, dass es sich in Wirklichkeit nur um eine “Risiko”-Verfilmung handelt. Eben jenes einzugehen, haben die Macher leider vermieden. Unzählige Figuren, ihr ursprünglich dramatisches Leben und Sterben im Kampf, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Schlacht am Roten Felsen nicht vielmehr war als ein Spaß, den sich ein paar clevere Typen 208/9 v. Chr. erlaubt haben. Für einen Abenteuerfilm mag das genügen, trägt der Regisseur den Namen John Woo, ist das leider “nur” befriedigend.