Kontrapunkt: Kino pur IV

Nach einer längeren Kreativpause einmal mehr mein Senf zu den miesen Ausgeburten, die durchs Lichtspielhaus geistern/geistern werden. Hier also die aktuellen und bald anlaufenden Kinofilme, vor denen man gewarnt sein sollte.

Iron Man 2 (USA 2010)

Mehr noch als im ersten Teil darf Milliardär Tony Stark (gewohnt lässig: Robert Downey Jr.) hier wieder seinen Narzissmus und seine Zerstörungswut ausleben, was seine genervte Umgebung und der russische Bösewicht (kommt viel zu kurz: Mickey Rourke), welcher von einem dümmlichen US-Waffenfabrikant hofiert wird, deutlichst zu spüren bekommen. Bei dieser dekadenten Materialschlacht mutet das riesige Budget von 200 Mio. Dollar gar noch bescheiden an. Der ganze Film ist dabei ein riesiges Werbeprodukt, was schon vor der Opening Scene mit DIESEL-Parfum beginnt, im Film mit auffälligen Audi-Product Placement fortgesetzt wird und im obligatorischen „The Avengers“-Cliffhanger endet. Tricktechnisch eindrucksvolles, inhaltlich jedoch arg banales Popcorn-Kino zum Weggucken.

The Other Man (USA/GB 2008)

Eine arg aufgeblasene, sinnlos verschachtelt erzählte Verfilmung einer Bernhard Schlink-Kurzgeschichte, in der einzig Laura Linney zeigen kann, was für ein schauspielerisches Schwergewicht sie ist. Der biedere Liam Neeson als Ehemann, der nach dem Verschwinden seiner Frau die klischeehafte Latin Lover-Liaison Antonio Banderas aufsucht, taugt dabei nicht als Sympathieträger. Und was sich Regisseur Richard Eyre („Tagebuch eines Skandals“) bei der wirren Zusammenstückelung seines Films auf mehreren Zeitebenen, die öfters durcheinander geraten, gedacht hat, weiß wohl auch keiner. Dann doch lieber noch einmal „Der Vorleser“ gucken.

A Nightmare on Elm Street (USA 2010)

Eins, zwei, Freddy kommt schon wieder vorbei. Sieben Jahre nach Robert Englunds letzten Auftritt in seiner Kultrolle in „Freddy vs. Jason“ prügelt Produzent und Krawallbarde Michael Bay dieses Remake des Slasher-Klassikers in die Kinos. Mit Jackie Earle Haley (Rorschach aus „Watchmen – Die Wächter“) wurde zwar ein ganz passabler Freddy-Ersatz gefunden, doch darf dieser leider keine hübschen Sprüchlein beim Traummetzeln aufsagen, die auch nur Anflüge schwarzen Humors beinhalten würden. Noch mehr Baustellen: die dummen Teenie-Darsteller, das einfallslose Skript, mangelnde Spannung, zu viel Getöse wie Gekröse. Etwas detailierter sind meine Einschätzungen bei MovieMaze und DAS MANIFEST.

And Now for Something Completely Different…

the-gaffer.de ist nun die offzielle Heimat von “the gaffer”, einem kleinen Filmblog, der zuvor unter orangedoe.wordpress.com zu finden war. Man kann ja nicht ewig mit einer fürchterlich sinnlosen Domain hausieren gehen. Ein paar Dinge werden hier anders sein, doch zur Zeit steht die Behebung der Kinderkrankheiten dieses Blogs im Vordergrund. Ein paar Seiten (das Impressum z.B.)  müssen noch geschrieben,  ein paar Plugins installiert werden, doch zumindest wird es hier wieder regelmäßig Posts geben, über die diskutiert und gestritten werden kann.

Zum Abschluss bitte ich noch all unsere freundlichen Blognachbarn, den the gaffer-Link in ihrer jeweiligen Blogrolle zu ändern. Ansonsten bleibt mir nur noch, allen alten und neuen Lesern ein WILLKOMMEN auszusprechen!

Iron Man 2 (USA 2010)

Aus seiner narzisstischen Ader macht Tony Stark (Robert Downey Jr.) bereits im Trailer für sein neues Abenteuer keinen Hehl. Während andere Superhelden nie über die Persönlichkeitsspaltung hinweg kommen, welche ihr Job mit sich bringt, übergeht Stark diese einfach und verwandelt sein Alter Ego am Ende des ersten Teils in eine Wunderwaffe jeder Publicity-Abteilung. Manövrieren sich Spider-Man, Batman und Hulk von Film zu Film durch die in sich zusammen stürzenden Trümmer ihres Privatlebens, getrieben von Macht, Verantwortung und einem zuweilen wehleidigen Heldenethos, kann in Iron Man 2 höchstens der Körper Starks zum Preis des Erfolges werden. Dennoch ist der Narzissmus mehr noch als in den Abenteuern der Kollegen Programm in der Iron Man-Schmiede. Mit einem wie Robert Downey Jr. als center piece kann deshalb auch offenkundige Mangelware als spaßige Action an Mann und Frau gebracht werden. Trotz eines Ensembles mit hochkarätigen Neuzugängen wie Mickey Rourke und Scarlett Johansson lebt “Iron Man 2” von den Exzessen seiner Hauptfigur, welche den Großteil der Laufzeit in Anspruch nehmen, ohne dass schlussendlich von einer charakterlichen Evolution gesprochen werden kann. Jon Favreaus Fortsetzung tritt dafür auf der Stelle.

Ein russischer Bösewicht (Rourke) will Stark an die Kehle, genauso wie sein Konkurrent Justin Hammer (Sam Rockwell). Der Staat begehrt den Wunderanzug und die Superheldenorganisation S.H.I.E.L.D. will auch irgendwas vom Helden. Was, ist nicht ganz klar, da diese Handlungsstrang nur ein Vorwand zu sein scheint, um Frau Johansson eine Rolle zu verschaffen und Samuel L. Jacksons Kontostand etwas Gutes zu tun. Erstere bringt mit neuer roter Mähne etwas Schwung in den Alltag von Stark Industries, bedeutet ihre Anwesenheit doch reichlich Zündstoff für die (Nicht-)Beziehung von Tony Stark und seiner Assistentin Pepper Potts (Gwyneth Paltrow). Potts bleibt auch in diesem Film eine willkommene Abwechslung zu jenem passiven Typus der Superheldenfreundin, der ständig aus Gefahrensituationen gerettet werden muss. Die Verkaufsargumente von “Iron Man 2” aufzuzählen, zu denen die Kombo Paltrow-Downey zweifellos gehört, kann auf Dauer langweilig geraten, denn es handelt sich dabei hauptsächlich um die des ersten Teils. Iron Man ist neben den weniger ansehnlichen Fantastic Four die wohl unbekümmertste Superheldenreihe der letzten Jahre zuteil geworden und das Sequel ändert daran nichts. Zuweilen etwas arg überdreht, heben sich die Geschichten um Tony Stark durch ihre flinken, sich überschlagenden Dialoge und die ausgeprägte Technikverliebtheit von denen der Kollegen ab, ohne je deren große Tragik zu bemühen.

Ein Funke Ehrgeiz wäre für das Gelingen des zweiten Teils trotzdem wünschenswert gewesen, wiederholt dieser schließlich im wesentlichen ein Erzählschema, welches bereits im Vorgänger nicht überzeugen konnte: Ein Widersacher Starks gelangt an dessen Technik und verwendet diese gegen ihn. Um einiges sympathischer und übersichtlicher als Michael Bays Robo-Kloppereien fällt das aus. Iron Man in jedem Film gegen sich selbst kämpfen zu lassen, zeugt freilich eher von Ideenlosigkeit als psychologischer Raffinesse. Während andere Serien im zweiten Anlauf ihren Zenit erreichen, ist “Iron Man 2” damit ein genügsames Monument der Redundanz. Auch dieses Mal lässt sich die Selbstreflexivität bzgl. der Verehrung glänzender Oberflächen und überwältigender Schusskraft auf eine simple Weisheit reduzieren: Gut oder böse wird die Technik erst durch ihren Besitzer. Die Waffe Iron Man ist Zeugnis einer modernen Abschreckungsmaßnahme. Das Wettrüsten liegt nun in den Händen der Privatwirtschaft. Die technologische Eskalation wird zum absehbaren Klimax im dritten Akt.

“Im Iron Man-Universum nichts Neues” könnte die Tagline zum zweiten Teil lauten. In Hinblick auf Antagonisten wie Mickey Rourke und Sam Rockwell, die hier durchaus nicht zu kurz kommen, dramaturgisch gesehen allerdings auf das Abstellgleis – die Parallelmontage – versetzt werden, überwiegt dann doch ein wenig die Resignation, wenn auch nicht die blanke Enttäuschung. Das Wohlwollen der Zuschauer zu verspielen, scheint für diesen Superhelden unvorstellbar. Als hyperaktiv herumplappernde One Man-Show hält Robert Downey Jr. die Reihe auch weiterhin am Laufen, tatkräftig unterstützt von seiner sich wiedereinmal in einnehmender Spiellaune befindlichen Umgebung. Dessen ungeachtet weicht die große Vorfreude nach diesem Sequel erstmal der Zurückhaltung.

gelb! #6 [Botchkov Group]

Der Urlaub ist vorbei, lang lebe die Beschäftigungstherapie für von der Praxis verbachlässigte Studenten! Da “Medienwissenschaft” nicht gleichbedeutend ist mit “lernen, wie man in einem Medium produziert” oder “lernen, wie man auf den Record-Knopf drückt”, sind Alternativen wie studentische Hochschulgruppen gefragt. CampusTV Jena ist so eine und in der neuesten Ausgabe des Do it Yourself-Formats gelb! haben wir uns nach Weimar begeben, um das Jazztrio Botchkov Group zu besuchen. Es muss ja nicht immer Metal oder Indie sein.

In der früheren Kulturhauptstadt geht es also in dieser Folge etwas ruhiger zu. Sehenswert ist das allemal (soviel zum Eigenlob), nicht zuletzt weil die Botchkovs eine extrem sympathische Truppe sind.

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Kontrapunkt: Cellu l'art 2010

Zum nunmehr 11. Mal fand dieses Jahr vom 14. bis 18. April das Jenaer Kurzfilmfestival „Cellu l’art“ statt und ich konnte nach wie vor nicht klären, welche Schreibweise nun die offizielle ist. Aber dafür kam ich in den Genuss, einen Großteil der insgesamt über 50 Filme zu sehen, die sich auf den internationalen Wettbewerb und den Länderschwerpunkt Indien verteilten. Kurz und knapp als akkreditierter Pressevertreter nun also mein Resümee.

Nachdem am Mittwochabend am Johannestor trotz widrigen Witterungsumständen beim Open Air einige Highlights aus den letzten Jahr zu sehen und die Live-Band „Standek“ zu hören war, wurde am Donnerstag (15. April) dann schließlich das Capitol Kino nach über einem Jahr Schließung wieder eröffnet. Und die Besucher kamen – in Strömen. Dabei greife ich vorweg: Gleich im ersten der insgesamt 5 Wettbewerbsblöcke lief der diesjährige Siegerfilm:

Stiller See (D 2010)

Die aus Erfurt stammende Regisseurin Lena Liberta, welche beim Cellulart 2009 bereits für ihren überladenen Problemfilm „Hundesöhne“ mit dem Publikumspreis geehrt wurde, widmete sich wieder ihrem bevorzugten Thema: der Familie und ihrer Probleme. In ihrem mit Klaviermusik buchstäblich durchkomponierten 7-Minüter erzählt sie die Geschichte um das von Unverständnis geprägte Verhältnis eines Vaters zu seinem autistischen Sohn. Die Mutter ist in dem See, an welchem die beiden Urlaub machen, vor einiger Zeit ertrunken. Der in prätentiös anmutendem Schwarz-Weiß präsentierte Film kreist um das Motiv der Musik und der kathartischen Wirkung des Wassers, ist eindrucksvoll gespielt. Ein würdiger Gewinner, auch wenn ich zwei Filme noch besser fand. Und zwar:

Territorio Enemigo (ESP 2008)

Dieses im 2. Wettbewerbsblock am Freitag gelaufene Kriegsdrama beweist nach den Wettbewerbsbeiträgen in den vergangenen Jahren einmal mehr, dass spanische Kurzfilme zu den international besten gehören. Darin verirrt sich ein Soldat auf feindliches Terrain und stellt dort den Gegner. Doch ein Fehltritt auf eine vermeintliche Mine schränkt neben seiner Bewegungsfreiheit auch seine Optionen dem Feind gegenüber ein. Packend, spannend und mit einer ebenso bitteren wie überraschenden Wendung am Ende fungiert der 11-Minüter von Rodrigo Plaza als beklemmendes Psychodrama um Angst und als Statement gegen den Irrsinn des Krieges, eingefangen mit einer bemerkenswerten Kameraarbeit. Auch sehr sehenswert:

Fliegen (D 2009)

… der im fünften und letzten Wettbewerbsblock am Samstag lief. Mit Sandra Hüller („Requiem“) und Jakob Matschenz, der später auch den Preis als bester Darsteller gewinnen sollte, hochkarätig besetzt, wird die Geschichte eines illegalen Einwanderers in Deutschland erzählt. Die Studentin Sarah (Hüller) dokumentiert sein Leben und beginnt eine Affäre mit ihm. Doch das – der einzige Kritikpunkt – ärgerliche Klischee um seine Verbindungen zu kriminellen Kreisen sorgt dafür, dass die Behörden bald auf ihn aufmerksam werden. Intensiv gespielt, authentisch wirkend und ein mutiges Thema: ein großartiger Kurzfilm!

Dabei stand die Qualität der von Kuratoren zusammen gestellten Kurzfilme vom indischen Subkontinent der Klasse dieser Filme nicht nach. Interessierte Zuschauer – und davon gab es erfreulicherweise erstaunlich viele – erhielten einen Einblick in ein Independentkino, welches soziale Probleme wie Armut und Menschenhandel ebenso thematisiert wie eine Gesellschaft im Auf- und Umbruch, in der eine riesige, aber stetig weiterwachsende Film- und Unterhaltungsindustrie immer mehr an Bedeutung gewinnt. Der skurrile Kurzfilm „The Private Life of Albert Pinto“ um einen Schauspieler, der auf seinen Durchbruch wartet thematisiert letztere ebenso wie „Tumse Milke“, in welchem das Mädchen Meera durch einen Schreibwettbewerb Shah-Rukh Khan kennenlernen will. Besonders im Gedächtnis haften blieb jedoch…

Kavi (USA/IND 2009)

Der oscarnominierte Kurzfilm lief außerhalb des Länderschwerpunkts im das Programm abrundenden „B-Side Special“ am Sonntag, indem Kurzfilme gezeigt wurden, die es trotz hohen Niveaus nicht ins reguläre Programm geschafft haben. Die Themen Kinderarbeit und moderne Sklaverei sind jedoch auch keine leichten, die Gregg Helvey da angepackt hat. Packend erzählt er die Geschichte vom indischen Jungen Kavi (Sagar Salunke), welcher den ganzen Tag Backsteine herstellt, obwohl er lieber zu den Schülern von nebenan gehören würde, die er immer wehmütig beobachtet. Als eines Tages seine Eltern verschleppt werden, hat er die Möglichkeit, aus seinem streng reglementierten Dasein auszubrechen. Trotz einer gewissen Plakativität in der Inszenierung verfehlt der Film seine aufrüttelnde Wirkung nicht und dringt einfühlsam in die Psyche eines Jungens ein, der in diese Form des Leibeigentums hineingeboren wird.

Genug der Rezensionen! Nun noch ein paar letzte Ausführungen zum Festival insgesamt, zusammengefasst in einer knackigen Checklist:

+ hohes Niveau der Wettbewerbsfilme
+ ungewöhnliche Einblicke durch den Länderschwerpunkt Indien
+ tolle Location (geschlossenes Kino quasi wiedereröffnet)
+ gute Cocktails zu noch besseren Preisen
+ viele Filmemacher/Beteiligte anwesend

eine Heizung im Saal wäre schön gewesen
durch Format-Hickhack der aufeinanderfolgenden Filme ein paar Problemchen bei Bild und Ton