Shoot 'Em Up (USA 2007)

Jaja, das Kino frönt der Gewaltverherrlichung und ist daran Schuld, dass sich nette, intelligente, großäugige Teenies plötzlich ganz in schwarz kleiden und die Pumpgun schwingen. Vielleicht wurde auch Michael Davis von einem schlechten Gewissen geplagt, als er das Drehbuch zu Shoot ‘Em Up schrieb, denn heraus kam der wohl erste gun porn mit einer unterschwelligen Message gegen die amerikanische Waffenindustrie.

Der Held, Mr. Smith (Clive Owen), der Karotten nagend durch die Szenerie wandelt, wie eine in einem Italowestern gefangene Mischung aus Bugs Bunny und Rick Blaine, trägt selbst aus Prinzip keine Handfeuerwaffe, was nicht bedeutet, dass er solche nicht benutzt.

Seine Kreativität im Töten mindert das nicht im geringsten, so dass hin und wieder auch sein Lieblingsgemüse dazu herhalten muss. Dieser Mr. Smith muss durch einen Zufall ein Baby beschützen, das der fiese Mr. Hertz (Paul Giamatti) und seine gesichtslose Killerbande umbringen will.

Viele verschiedene Menschen lieben viele verschiedene Facetten der Natur des Films. Die einen sind ihr aufgrund seines Realismus verfallen. Andere zieht genau das Gegenteil an. Shoot ‘Em Up ist ein wunderbares Beispiel dafür, dass das Kino machen kann und sollte, was es will. Wohl ist es der beste Film seit Sin City, der seinen Status als absolutes Kunstprodukt und unverhüllte Männerfantasie geradezu feiert.

Es gibt da diese vielkritisierte Szene in Live Free or Die Hard, in der John McClane einen Düsenjet zur Strecke bringt. Im Vergleich zu Mr. Smiths Exzessen wirkt sie geradezu naturalistisch.

Sämtliche Gesetze der Schwerkraft wie des gesunden Menschenverstandes werden aufgehoben, wenn Clive Owen durch diverse Treppenhäuser, Industriehallen und Spielplätze rennt, springt und fliegt, dabei seine Gegner dermaßen gekonnt cool abknallend, dass Daniel Craig beim Anblick dieses Films um seinen Job bangen müsste.

Paul Giamatti überrascht als psychopathischer Bösewicht im Dienste der Waffeninsdustrie, schließlich ähnelt sein Äußeres eher dem eines gescheiterten Bürokraten. Passend dazu wird er regelmäßig während der “Arbeit” durch Anrufe seiner Frau gestört. [“I can’t talk right now honey. I’m right in the middle of something.”] Zwar wäre hier und da in seinem Spiel weniger mehr gewesen, vielleicht erscheint dies aber auch nur so, weil Clive Owen im Gegensatz zu Giamatti gar nichts tut. Das tut dem Spaß allerdings keinen Abbruch.

Wer diesen Film ernst nimmt, ist selber schuld. Wer ihn als das nimmt, was er ist – ein an Irrealität kaum zu überbietender, herrlich selbstironischer Actionfilm – der wird an Shoot ‘Em Up seine helle Freude haben.

Lost in Space (USA 1998)

Wenn die Filmografie eines Regisseurs einen Film wie A Nightmare on Elm Street 5 enthält, mag man glauben, dass dieser Tiefpunkt einer jeden Karriere in seiner Qualitätslosigkeit gar nicht mehr zu toppen ist.

Falsch gedacht! Gebt dem Mann 80 Mio. Dollar, den rudimentären Plot einer TV-Serie aus den 60ern und zwei hochkarätige Schauspieler und er schafft es, einen der miesesten Sci-Fi-Filme der letzten Jahre daraus zu basteln. Der “Plot” dreht sich um die Familie Robinson, die sich auf den Weg macht, die Welt zu retten, in dem sie sich per Raumschiff auf eine zehnjährige Reise zu einem fremden Planeten macht. Leider hat sich der böse Dr. Smith (Gary Oldman) auf das Raumschiff verirrt, um böse Zeilen, wie “Evil knows evil” und “Never fear, Smith is here” von sich zu geben.

Kein Wunder, dass der Schiffsroboter alle umbringen will…

Wem es nach dem Namen des unglaublich kreativen Drehbuchautors lechzt, dem sei gesagt, dass es sich um Akiva Goldsman handelt, der verantwortlich für ein anderes Meisterwerk der späten Neunziger zeichnete: Joel Schumachers Batman and Robin.

Bei einer solchen Konzentration künstlerischen Könnens darf es einen nicht verwundern, dass neben Heather Graham und Matt LeBlanc mit William Hurt und Gary Oldman auch richtige Schauspieler am Set anwesend waren. Hurts Mimik im Angesicht beige-düsterer special effects variiert zwischen “verbissen” und “angestrengt”. Vielleicht war ja sein Scheck noch nicht eingetroffen. Vielleicht erinnerte er sich aber auch an den unheilvollen Moment, als er für zwei (zu unserem Glück nicht realisierte) Fortsetzungen für dieses Machwerk unterschrieb.

Gary Oldman ist das Highlight dieses Films, knapp vor dem nervigen Chamälionaffen namens Blarb. Nach abwechslungsreichen Rollen in True Romance, Léon, Das Fünfte Element und Air Force One dachte er wohl an einen Imagewechsel, als er die Rolle des Bösewichts in Lost in Space annahm.

Oder er dachte an gar nichts, was angesichts des Migräneanfälle hervorrufenden Endprodukts wahrscheinlicher ist. Das verführerische Wort typecast liegt einem hier auf der Zunge, wenn man sein wohl aus zuviel Kaffeekonsum resultierendes overacting betrachtet. Vielleicht wollte er auch nur einmal in seinem Leben die folgenden zwei Sätze flüstern: “I am a god. Within these eggsacks lives a monster race of spiders.

Etwas nützliches habe ich durch diesen Film jedoch gelernt:

Ist mein Raumschiff jemals unfähig, einen sich auf meine körperliche Gesundheit womöglich negativ auswirkenden Himmelkörper zu verlassen, so fliege ich es einfach durch ihn hindurch und all meine Probleme sind gelöst.

Peter Sellers [1955-1959]

Denkt man an Peter Sellers so werden die Swinging Sixties immer das Jahrzehnt sein, welches zuerst in den Assoziationen auftaucht. Mit Filmen, wie Dr. Strangelove (1964), Lolita (1962) oder The Pink Panther (1963) wurde er nicht nur zum erfolgreichsten Komiker dieser Jahre neben Jerry Lewis.

Er schuf auch die Figuren, die noch heute seine Unsterblichkeit zementieren: Den unfähigen Inpektor Clouseau, den verdorbenen Clare Quilty und natürlich den manischen Dr. Strangelove himself. Betrachtet man den Verlauf seiner Karriere von der anonymen Radiostimme zum Superstar dutzender Kinofilme, so liegen alle entscheidenden Ereignisse, die ihn vom Erfolg in einem Medium zum Erfolg im nächsten führten, in den langweiligen, prüden, die Welt mit identischen Vororten verseuchenden Fünfziger Jahren.

Zwischen 1951 und 1960 revolutionierte er zusammen mit Spike Milligan und Harry Secombe die britische (Radio-)Comedyszene mit der ebenso verrückten, wie satirischen Welt der Goon Show.
Zur gleichen Zeit entwickelte er sich vom klassischen britischen Charakterdarsteller, der dem “Hintergrund” eines Filmes Farbe verleiht, zum Star internationaler Produktionen.


5 Filme, die diese Phase seiner Karriere definieren:

1. The Ladykillers (1955) Regie: Alexander Mackendrick

Die letzte große Komödie, die den Zusatz “Ealing-” verdient. Fünf Gangster ziehen bei einer alten Dame ein, um einen Überfall zu planen. Alles scheint glatt zu gehen, doch Mrs. Wilberforce hat da noch ein Wörtchen mitzureden…
Angeführt vom genialen Alec Guinness, glänzt Sellers in seiner ersten größeren Nebenrolle als Teddyboy Harry in diesem Klassiker der schwarzen Komödien.

2. The Smallest Show on Earth (1957) Regie: Basil Dearden

Ein, im besten Sinne des Wortes, “sentimentaler” Film, in dem ein Ehepaar ein altes Kino – inkl. der drei Angestellten – erbt und es wieder auf Vordermann bringt. Die drei mürrischen älteren Herrschaften werden gespielt von Sellers, Bernard Miles und Margaret Rutherford. Eine Ensemblekomödie ohne Stars, im Geiste der Ealingfilme. Kein Klassiker, aber eine der erinnerungswürdigeren Komödien dieser Zeit.

3. The Naked Truth (1957) Regie: Mario Zampi

Entertainer Wee Sonny MacGregor (Sellers) wird vom Herausgeber eines Skandalmagazins erpresst. Zusammen mit anderen “Opfern” versucht er sich des Erpressers (Dennis Price) zu entledigen. Der Erfolg ist nicht gerade vorprogrammiert.
Sellers übernimmt in dieser Krimikomödie erstmals den Part des Protagonisten und spielt sogleich (und nicht zum letzten Mal) seinen Filmpartner Terry-Thomas an die Wand.

Eine weitere Neuheit: Sein Charakter schlüpft von Mordversuch zu Mordversuch in immer neue Rollen, um seinen Gegner zu überlisten. Sellers legt hier die – noch nicht gänzlich erfolgreiche – Grundlage für sein späteres Markenzeichen: Mehrere Charaktere in einem Film zu spielen.

4. I’m All Right Jack (1959) Regie: John Boulting

Der erste wirkliche Höhepunkt in der Filmkarriere des Peter Sellers. Einen BAFTA-Award gabs für die Rolle des inkompetenten sozialistischen Gewerkschaftlers Fred Kite in dieser Satire der Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen der Fünfziger. Kite wird mit einem etwas zu fleißigen, weil naiven Arbeiter (Ian Carmichael) aus der Oberschicht konfrontiert, dessen Arbeitsmoral die Fabrik in den Streik stürzt. Der korrupten Geschäftleitung kommt dieser nicht ungelegen.

Der überragende Sellers wird mit der nuancierten Darstellung des Fred Kite in die erste Liga der britischen Schauspieler katapultiert. Anstatt den Gewerkschafter zum karikaturartigen Hassobjekt verkommen zu lassen, spielt Sellers ihn sympathisch menschlich.
Mit von der Partie sind Dennis Price, Richard Attenborough, Margaret Rutherford und Terry-Thomas.

5. The Mouse that Roared (1959) Regie: Jack Arnold

Sellers’ internationaler Durchbruch ist diese Satire auf den Kalten Krieg. Ein Zwergstaat erklärt den USA den Krieg, um an finanzielle Hilfe zu gelangen (beim Marshall-Plan hat’s doch auch funktioniert!) und … gewinnt.
Sellers mimt erstmals drei vollkommen verschiedene Charaktere in einem Film: Großherzogin Gloriana, Premier Mountjoy und Tully Bascombe, den eigentlichen Protagonisten. Erstere ist allerdings der heimliche Star des Films. Natürlich fehlt diesem Film der Biss und (noch) die schauspielerische Perfektion eines Dr. Strangelove, unterhaltsam ist er jedoch allemal.


Teil Zwei [1960-1963]